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Energie & Management > Photovoltaik - Österreich als Blaupause für die Energiezukunft
Quelle: Fotolia / Franz Metelec
Photovoltaik

Österreich als Blaupause für die Energiezukunft

In Österreich, besonders in wind- und sonnenstarken Gegenden, entsteht derzeit unter viel Zuspruch ein neues Energiesystem. Der Versorger legt nicht mehr die Preise fest.
In Österreich sind von Oktober 2022 bis September 2023 mehr als 800 örtliche Prosumer- und Stromverbraucher-Gemeinschaften entstanden. Sie gehen über das deutsche Mieterstrommodell hinaus, weil nicht nur ein, sondern mehrere private Photovoltaikanlagen-Besitzer und mehrere reine Stromverbraucher die erzeugte grüne Wärme, Kälte oder Elektrizität miteinander teilen, und das im Gegensatz zu Deutschland gebäudeübergreifend unter Nutzung des allgemeinen Stromnetzes.

Zum Vergleich: In Deutschland gibt es nur 700 Bürgerenergiegesellschaften. Das berichtete am 10. Oktober Fabian Stocker von dem energiewirtschaftlichen Abrechnungsdienstleister Exnaton in dessen erster Webkonferenz. Stocker, Business Development Lead bei der Zürcher Exnaton AG, erwartet für die Zukunft eine fünfstellige Zahl der österreichischen „Energieerzeugungsgemeinschaften“ (EEG).

Österreich sei „wahrscheinlich am weitesten“ bei der Umsetzung der Bestimmung in der EU-Erneuerbaren-Richtlinie RED II, wonach die Mitgliedsstaaten zu solchen lokalen Energy-Sharing-Gemeinschaften Geldanreize setzen müssen. In dem Land dürfen „EEG“ Stocker zufolge − im Gegensatz zu Deutschland − auch über ein Gebäude hinausgehen, wenn sie denselben Trafo oder dasselbe Umspannwerk im Stromnetz der allgemeinen Versorgung nutzen. Dabei winken Netzentgelt-Rabatte von bis zu 64 Prozent.

Zudem gibt es eine „Koordinierungsstelle für Energieerzeugungsgemeinschaften“, die mit Standardisierungsvorschriften hilft. „Ohne sie wäre es nicht gegangen“, bilanzierte Stocker. Und: Die Verteilnetzbetreiber müssen für solche "EEG" binnen acht bis zwölf Wochen Smart Meter installieren. Die Realität sehe zwar je nach Netzbetreiber anders aus, aber die Vorschrift helfe, um die komplexere Abrechnung zu schaffen. In Deutschland gibt es eine Rollout-Pflicht nur ab bestimmten individuellen Jahresverbräuchen.

Im relativ wind- und sonnenreichen östlichen Bundesland Burgenland ist die Entwicklung vielleicht noch weiter fortgeschritten als im Rest der Alpenrepublik. Das Bundesland will schon 2030 klimaneutral sein, Deutschland 2045 und die EU 2050.

Ein Land gedanklich in Erzeugungsgemeinschaften unterteilt

Der weitgehend im Landesbesitz befindliche Versorger Burgenland Energie treibt die dezentrale, grüne Entwicklung aktiv voran. So sollen nach seiner Strategie bis 2030 zusätzlich 2.000 MW PV-Freiflächen-Anlagen und 300 MW Speicher entstehen. Bisher investierte man vornehmlich in Windparks. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) soll zur Strategie gesagt haben: „Gedanklich wurde das Land bereits in 270 Energieerzeugungsgemeinschaften unterteilt.“

Burgenland Energie setzt dabei auf die „EEG“ und nimmt dabei einen Bedeutungsverlust oder jedenfalls eine Verschiebung in Kauf. Das Pilotprojekt „Sonnenabo Sonnenpark Schattendorf“ in der burgenländischen Gemeinde Schattendorf (wir berichteten) soll in „Gemeindepaketen“ zusammen mit kooperativen Kommunen − insgesamt gibt es im Burgenland 170 − ausgerollt werden. Die sonnenreiche Gemeinde Schattendorf will die erste energieautarke Kommune Österreichs werden.

Der Pilot der Burgenland Energie in Schattendorf sieht so aus: Eine „EEG“ errichtet auf Flächen von Burgenland Energie eine 800-kW-PV-Freiflächenanlage und vernetzt auch private Dachanlagen-Betreiber und Mieter. Hierfür erhält der Regionalversorger 20 Jahre lang eine fixe, nur an die Inflation indizierte Pacht. Die „EEG“ verteilt den erzeugten Solarstrom untereinander und speist überschüssigen Strom ein. Burgenland Energie kümmert sich um die energiewirtschaftliche Abwicklung und Abrechnung.

Hierzu nutzt Burgenland Energie in einer Cloud die auf Sharing und variable Tarife spezialisierte Abrechnungssoftware von Exnaton. Sie ist bei dem Versorger ein Add-on zur Unternehmenssteuerungs(ERP)-Software von SAP. Auch für andere energiewirtschaftliche ERP verspricht Exnaton aus Zürich eine nahtlose Integration dieser Billing Engine, so ausdrücklich für BPC, Powercloud, Schleupen und Lynqtech.

Die Hälfte der Haushalte sagt ja

Der Zuspruch aus der Gemeinde Schattendorf und der ihr folgenden Kommune Nickelsdorf jedenfalls scheint hoch zu sein: Thiemo Püttmann, Strategieleiter bei Burgenland Energie, sprach von jeweils 50 Prozent teilnehmenden Haushalten und in Schattendorf von einem Marktanteil von 95 Prozent. 850 der angeschlossenen Zählpunkte haben bereits den für zeitvariable Tarife notwendigen Smart Meter bekommen.

Die Zustimmung machen einem freilich auch ein gegenüber der Grundversorgung insgesamt günstigere und stabile Stromkosten leicht. Strategieleiter Püttmann stellte klar: Den Strompreis legt in solchen „EEG“ nicht mehr Burgenland Energie fest, sondern die jeweilige Gemeinschaft selbst.

Mitglieder könnten jederzeit kündigen, es könne nur sein, dass eine Vereinssatzung den Ausstieg erst zum Ende des Geschäftsjahres erlaube. „Wirklich Geld verdienen wir mit dem Pilotprojekt nicht“, räumte Püttmann ein. Für den Berliner in Eisenstadt steht fest: „Die Klimaneutralität 2030 ist nur mit Technologie und österreichischem Pragmatismus zu erreichen.“

Freitag, 13.10.2023, 17:41 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Photovoltaik - Österreich als Blaupause für die Energiezukunft
Quelle: Fotolia / Franz Metelec
Photovoltaik
Österreich als Blaupause für die Energiezukunft
In Österreich, besonders in wind- und sonnenstarken Gegenden, entsteht derzeit unter viel Zuspruch ein neues Energiesystem. Der Versorger legt nicht mehr die Preise fest.
In Österreich sind von Oktober 2022 bis September 2023 mehr als 800 örtliche Prosumer- und Stromverbraucher-Gemeinschaften entstanden. Sie gehen über das deutsche Mieterstrommodell hinaus, weil nicht nur ein, sondern mehrere private Photovoltaikanlagen-Besitzer und mehrere reine Stromverbraucher die erzeugte grüne Wärme, Kälte oder Elektrizität miteinander teilen, und das im Gegensatz zu Deutschland gebäudeübergreifend unter Nutzung des allgemeinen Stromnetzes.

Zum Vergleich: In Deutschland gibt es nur 700 Bürgerenergiegesellschaften. Das berichtete am 10. Oktober Fabian Stocker von dem energiewirtschaftlichen Abrechnungsdienstleister Exnaton in dessen erster Webkonferenz. Stocker, Business Development Lead bei der Zürcher Exnaton AG, erwartet für die Zukunft eine fünfstellige Zahl der österreichischen „Energieerzeugungsgemeinschaften“ (EEG).

Österreich sei „wahrscheinlich am weitesten“ bei der Umsetzung der Bestimmung in der EU-Erneuerbaren-Richtlinie RED II, wonach die Mitgliedsstaaten zu solchen lokalen Energy-Sharing-Gemeinschaften Geldanreize setzen müssen. In dem Land dürfen „EEG“ Stocker zufolge − im Gegensatz zu Deutschland − auch über ein Gebäude hinausgehen, wenn sie denselben Trafo oder dasselbe Umspannwerk im Stromnetz der allgemeinen Versorgung nutzen. Dabei winken Netzentgelt-Rabatte von bis zu 64 Prozent.

Zudem gibt es eine „Koordinierungsstelle für Energieerzeugungsgemeinschaften“, die mit Standardisierungsvorschriften hilft. „Ohne sie wäre es nicht gegangen“, bilanzierte Stocker. Und: Die Verteilnetzbetreiber müssen für solche "EEG" binnen acht bis zwölf Wochen Smart Meter installieren. Die Realität sehe zwar je nach Netzbetreiber anders aus, aber die Vorschrift helfe, um die komplexere Abrechnung zu schaffen. In Deutschland gibt es eine Rollout-Pflicht nur ab bestimmten individuellen Jahresverbräuchen.

Im relativ wind- und sonnenreichen östlichen Bundesland Burgenland ist die Entwicklung vielleicht noch weiter fortgeschritten als im Rest der Alpenrepublik. Das Bundesland will schon 2030 klimaneutral sein, Deutschland 2045 und die EU 2050.

Ein Land gedanklich in Erzeugungsgemeinschaften unterteilt

Der weitgehend im Landesbesitz befindliche Versorger Burgenland Energie treibt die dezentrale, grüne Entwicklung aktiv voran. So sollen nach seiner Strategie bis 2030 zusätzlich 2.000 MW PV-Freiflächen-Anlagen und 300 MW Speicher entstehen. Bisher investierte man vornehmlich in Windparks. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) soll zur Strategie gesagt haben: „Gedanklich wurde das Land bereits in 270 Energieerzeugungsgemeinschaften unterteilt.“

Burgenland Energie setzt dabei auf die „EEG“ und nimmt dabei einen Bedeutungsverlust oder jedenfalls eine Verschiebung in Kauf. Das Pilotprojekt „Sonnenabo Sonnenpark Schattendorf“ in der burgenländischen Gemeinde Schattendorf (wir berichteten) soll in „Gemeindepaketen“ zusammen mit kooperativen Kommunen − insgesamt gibt es im Burgenland 170 − ausgerollt werden. Die sonnenreiche Gemeinde Schattendorf will die erste energieautarke Kommune Österreichs werden.

Der Pilot der Burgenland Energie in Schattendorf sieht so aus: Eine „EEG“ errichtet auf Flächen von Burgenland Energie eine 800-kW-PV-Freiflächenanlage und vernetzt auch private Dachanlagen-Betreiber und Mieter. Hierfür erhält der Regionalversorger 20 Jahre lang eine fixe, nur an die Inflation indizierte Pacht. Die „EEG“ verteilt den erzeugten Solarstrom untereinander und speist überschüssigen Strom ein. Burgenland Energie kümmert sich um die energiewirtschaftliche Abwicklung und Abrechnung.

Hierzu nutzt Burgenland Energie in einer Cloud die auf Sharing und variable Tarife spezialisierte Abrechnungssoftware von Exnaton. Sie ist bei dem Versorger ein Add-on zur Unternehmenssteuerungs(ERP)-Software von SAP. Auch für andere energiewirtschaftliche ERP verspricht Exnaton aus Zürich eine nahtlose Integration dieser Billing Engine, so ausdrücklich für BPC, Powercloud, Schleupen und Lynqtech.

Die Hälfte der Haushalte sagt ja

Der Zuspruch aus der Gemeinde Schattendorf und der ihr folgenden Kommune Nickelsdorf jedenfalls scheint hoch zu sein: Thiemo Püttmann, Strategieleiter bei Burgenland Energie, sprach von jeweils 50 Prozent teilnehmenden Haushalten und in Schattendorf von einem Marktanteil von 95 Prozent. 850 der angeschlossenen Zählpunkte haben bereits den für zeitvariable Tarife notwendigen Smart Meter bekommen.

Die Zustimmung machen einem freilich auch ein gegenüber der Grundversorgung insgesamt günstigere und stabile Stromkosten leicht. Strategieleiter Püttmann stellte klar: Den Strompreis legt in solchen „EEG“ nicht mehr Burgenland Energie fest, sondern die jeweilige Gemeinschaft selbst.

Mitglieder könnten jederzeit kündigen, es könne nur sein, dass eine Vereinssatzung den Ausstieg erst zum Ende des Geschäftsjahres erlaube. „Wirklich Geld verdienen wir mit dem Pilotprojekt nicht“, räumte Püttmann ein. Für den Berliner in Eisenstadt steht fest: „Die Klimaneutralität 2030 ist nur mit Technologie und österreichischem Pragmatismus zu erreichen.“

Freitag, 13.10.2023, 17:41 Uhr
Georg Eble

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