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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Lieber ein Ende mit Schrecken
Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren

Lieber ein Ende mit Schrecken

Der richtige Zeitpunkt für die Energiebeschaffung sollte kein Glückstreffer sein. Auch vor 20 Jahren gab es Möglichkeiten, entsprechende Preisrisiken zu managen.
Die Energiebeschaffung ist ein heißes Eisen. Diskussionen um die Verantwortung von Stadtwerke-Vorständen und Geschäftsführern und juristische Verfahren in der jüngsten Zeit haben dies gezeigt. Auch vor 20 Jahren beschäftigte der „richtige Zeitpunkt“ und dessen Auswirkungen die Versorger – und die Kunden gleichermaßen. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm hatte 2005 ein Auge auf das Thema.


Wer als Industriekunde oder Stadtwerk in diesem Jahr auf einen günstigen Zeitpunkt zur Strombeschaffung für das nächste Jahr zu lange gewartet hat, wird am Ende wohl teuer dafür bezahlen.

Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) verkündete die frohe Botschaft am 4. Oktober dieses Jahres: „Strom für Industriebetriebe weiterhin günstig.“ Kritische Marktbeobachter werden angesichts dieser Zeile wohl mindestens die Stirn gerunzelt haben. Die Stromrechnung der Kunden falle immer noch um 10 Prozent günstiger aus, als zu Beginn der Liberalisierung, verkündete der VDEW. Der Verband bezog sich dabei auf Daten des Bundesverbands der Energieabnehmer (VEA), die Mittelwerten aus fünf verschiedenen Verbrauchskategorien entsprechen.

Da es sich bei den VEA-Daten jedoch um Durchschnittswerte handelt, sind auch Stromlieferverträge, die vor zwei oder gar drei Jahren abgeschlossen wurden und dieses Jahr auslaufen, in die Berechnung eingegangen. Das vom VEA für 2003 ermittelte Preisniveau lag allerdings noch 25 Prozent unter dem Wert von 1998, bei gleich hohem Staatsanteil wie 2005.

Bei Neuabschlüssen in diesem Jahr wird der Preisvorteil gegenüber 1998 endgültig aufgebraucht sein, da sich ab März der Strom- und der CO2-Preis gegenseitig nach oben geschaukelt haben. Mittlerweile hat der VIK-Strompreisindex für Mittelspannungskunden die Marke von 150 Prozent (Preisniveau gegenüber Januar 2002) überschritten.

Bis Juli sind CO2-Preis und Strompreis im Gleichschritt marschiert. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da Emissionshändler häufig den Strompreis für steigende Zertifikatepreise verantwortlich machen und der CO2-Preis unbestreitbar – sei der Ansatz voller Opportunitätskosten für kostenlos zugeteilte Zertifikate gerechtfertigt oder nicht – eine der Haupteinflussgrößen auf den Strompreis ist. Dann haben sich die Wege von Jahresband und Forward allerdings getrennt, nachdem der Zertifikatepreis quasi über Nacht von knapp 30 Euro/t auf etwa 22 Euro/t abgerutscht war. „Die Marktteilnehmer haben sich besonnen“ oder „die Preise mussten wieder auf ein fundamental nachvollziehbares Niveau herunter“ war damals häufig von Marktteilnehmern zu hören.

Einige dürften allerdings auch einfach den Verlockungen von Gewinnmitnahmen erlegen sein. Während der CO2-Preis abstürzte, fing sich der Strompreis schnell wieder. Seither verläuft auch die Kurve des Jahresbandes etwas steiler. Die alte Faustregel „wenn der CO2-Preis um 1 Euro steigt, steigt der Strompreis um 50 Cent“ stimmt nicht mehr. Heutzutage sind es eher 60 oder 70 Cent, die der Strompreis steigt, und eher nur 30 Cent, die der Strompreis bei entsprechender Bewegung des Zertifikatspreises fällt.

Verdacht, dass Kraftwerksbetreiber ihre Kapazitäten verknappen

Da sich die steigenden Brennstoffkosten sowohl auf den CO2-Preis als auch direkt auf den Strompreis auswirken, muss man die Ursachenforschung auf jeden Fall erweitern. Die Äußerungen einiger EVU-Vertreter, die in der Diskussion um den Strompreis diesen gerne auch einfach als Funktion des Angebots-Nachfrage-Verhältnisses sehen, legen den Schluss nahe, dass derzeit das Stromangebot hinter der Nachfrage herhinkt. Darauf dürfte der erneute Anstieg auf 45 Euro/MWh nach dem Einbruch des CO2-Preises zurückzuführen sein. Zumal der CO2-Preis schon seit Anfang September beharrlich in einem etwa 2 Euro breiten Korridor bleibt.

In diesem Zusammenhang kursiert unter Marktteilnehmern die Meinung, die Kraftwerksbetreiber würden bewusst ihre Kapazitäten knapphalten, um die kurzfristigen Preise hochzuhalten und ihre Vollkosten zu verdienen. Dies ist allerdings kein ehrenrühriges Verhalten. Außerdem, so eine weit verbreitete Meinung, solle eine inverse Preisstruktur mit absteigendem Niveau von 2006 bis 2008 und möglicherweise noch bis 2009 potenzielle Investoren in neue Kraftwerkskapazitäten abschrecken.

Dass Erzeuger versuchen, Überkapazitäten zu vermeiden, ist ökonomisch vernünftig. Auf der sicheren Seite sind sie demnach dann, wenn sie trotz hoher Strompreise keine neuen Kapazitäten schaffen. So laufen sie garantiert nicht Gefahr, sich die Preise kaputtzumachen. Den nicht selbst erzeugten Strom können sie im Großhandel beschaffen und dessen Preis über einen entsprechenden „Marktpreis“ im Vertrieb wieder hereinholen.

Ein nicht von der Hand zu weisendes Argument, das in diesen Tagen üblicherweise von den EVU vorgebracht wird, bezieht sich auf die abwartende Haltung vieler Kunden. Ähnlich wie im Jahre 2003 haben viele Industriekunden und Stadtwerke in diesem Jahr lange gezögert, sich für das folgende Jahr einzudecken und damit für eine aufgestaute Nachfrage gesorgt.

Möglichkeiten zur Preisanpassung auch in der Lieferperiode

Auch Marc Ehry, Geschäftsführer der PCC Energie GmbH, hat diese Beobachtung gemacht: „Es gibt Kunden, die haben ihre Verträge für das nächste Jahr noch nicht unter Dach und Fach.“ Sie hätten fortwährend auf sinkende Preise gewartet und müssten nun zu einem besonders hohen Niveau abschließen. Damit müsse der Preis allerdings nicht zwangsläufig zementiert sein, meint Ehry. Es gebe Möglichkeiten, auch in der Lieferperiode den Preis nach unten anzupassen, etwa bei einer längeren Bindung des Kunden an den Lieferanten. Ob dann schon ein halbes Jahr „länger“ sei oder ein ganzes, müsse man im Einzelfall sehen, meint Ehry.

Angesichts des hohen Preisniveaus werden immer mehr längerfristige Verträge abgeschlossen. Laufzeiten von drei Jahren sind nichts Exotisches mehr. Rainer Kübler, Geschäftsführer der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen, hat mit längerfristigen Verträgen gute Erfahrungen gemacht, zum Vorteil eines großen Teils seiner Kunden. „Wir haben beispielsweise unseren Kunden bereits 2003 zwei Jahre laufende Verträge für die Jahre 2005 und 2006 angeboten.“ Beschafft worden sei der Strom für die beiden Jahre auch gleich damals, auf Neudeutsch back-to-back. „Wir knüpfen immer den Einkauf an den Absatz“, erläutert der Stadtwerke-Chef. Kunden, die etwa ein Drittel des Absatzes der Stadtwerke beziehen, haben Kübler zufolge das Angebot angenommen. Dies zeige, dass es in der Vergangenheit durchaus möglich gewesen sei, Preise abzusichern. Für diejenigen, die jetzt noch ohne Vertrag dastehen, habe er kein Verständnis. Denn wer den Abschluss eines Vertrages hinauszögere, müsse auch darauf gefasst sein, dass der Preis nicht sinke, sondern weiter steige.

Wer jetzt in der misslichen Lage steckt, seinen Bedarf für 2006 noch nicht gedeckt zu haben, mag sich an das Jahr 2003 erinnern, als die Strompreise auch über Monate stetig anstiegen und dann zu Beginn 2004 deutlich zurückgingen. Doch ein weiteres Zögern über den Jahreswechsel hinaus dürfte in vielen Unternehmen an den Risikomanagementvorgaben scheitern, die grundsätzlich eher ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorziehen.

Samstag, 29.11.2025, 16:04 Uhr
Fritz Wilhelm
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Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren
Lieber ein Ende mit Schrecken
Der richtige Zeitpunkt für die Energiebeschaffung sollte kein Glückstreffer sein. Auch vor 20 Jahren gab es Möglichkeiten, entsprechende Preisrisiken zu managen.
Die Energiebeschaffung ist ein heißes Eisen. Diskussionen um die Verantwortung von Stadtwerke-Vorständen und Geschäftsführern und juristische Verfahren in der jüngsten Zeit haben dies gezeigt. Auch vor 20 Jahren beschäftigte der „richtige Zeitpunkt“ und dessen Auswirkungen die Versorger – und die Kunden gleichermaßen. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm hatte 2005 ein Auge auf das Thema.


Wer als Industriekunde oder Stadtwerk in diesem Jahr auf einen günstigen Zeitpunkt zur Strombeschaffung für das nächste Jahr zu lange gewartet hat, wird am Ende wohl teuer dafür bezahlen.

Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) verkündete die frohe Botschaft am 4. Oktober dieses Jahres: „Strom für Industriebetriebe weiterhin günstig.“ Kritische Marktbeobachter werden angesichts dieser Zeile wohl mindestens die Stirn gerunzelt haben. Die Stromrechnung der Kunden falle immer noch um 10 Prozent günstiger aus, als zu Beginn der Liberalisierung, verkündete der VDEW. Der Verband bezog sich dabei auf Daten des Bundesverbands der Energieabnehmer (VEA), die Mittelwerten aus fünf verschiedenen Verbrauchskategorien entsprechen.

Da es sich bei den VEA-Daten jedoch um Durchschnittswerte handelt, sind auch Stromlieferverträge, die vor zwei oder gar drei Jahren abgeschlossen wurden und dieses Jahr auslaufen, in die Berechnung eingegangen. Das vom VEA für 2003 ermittelte Preisniveau lag allerdings noch 25 Prozent unter dem Wert von 1998, bei gleich hohem Staatsanteil wie 2005.

Bei Neuabschlüssen in diesem Jahr wird der Preisvorteil gegenüber 1998 endgültig aufgebraucht sein, da sich ab März der Strom- und der CO2-Preis gegenseitig nach oben geschaukelt haben. Mittlerweile hat der VIK-Strompreisindex für Mittelspannungskunden die Marke von 150 Prozent (Preisniveau gegenüber Januar 2002) überschritten.

Bis Juli sind CO2-Preis und Strompreis im Gleichschritt marschiert. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da Emissionshändler häufig den Strompreis für steigende Zertifikatepreise verantwortlich machen und der CO2-Preis unbestreitbar – sei der Ansatz voller Opportunitätskosten für kostenlos zugeteilte Zertifikate gerechtfertigt oder nicht – eine der Haupteinflussgrößen auf den Strompreis ist. Dann haben sich die Wege von Jahresband und Forward allerdings getrennt, nachdem der Zertifikatepreis quasi über Nacht von knapp 30 Euro/t auf etwa 22 Euro/t abgerutscht war. „Die Marktteilnehmer haben sich besonnen“ oder „die Preise mussten wieder auf ein fundamental nachvollziehbares Niveau herunter“ war damals häufig von Marktteilnehmern zu hören.

Einige dürften allerdings auch einfach den Verlockungen von Gewinnmitnahmen erlegen sein. Während der CO2-Preis abstürzte, fing sich der Strompreis schnell wieder. Seither verläuft auch die Kurve des Jahresbandes etwas steiler. Die alte Faustregel „wenn der CO2-Preis um 1 Euro steigt, steigt der Strompreis um 50 Cent“ stimmt nicht mehr. Heutzutage sind es eher 60 oder 70 Cent, die der Strompreis steigt, und eher nur 30 Cent, die der Strompreis bei entsprechender Bewegung des Zertifikatspreises fällt.

Verdacht, dass Kraftwerksbetreiber ihre Kapazitäten verknappen

Da sich die steigenden Brennstoffkosten sowohl auf den CO2-Preis als auch direkt auf den Strompreis auswirken, muss man die Ursachenforschung auf jeden Fall erweitern. Die Äußerungen einiger EVU-Vertreter, die in der Diskussion um den Strompreis diesen gerne auch einfach als Funktion des Angebots-Nachfrage-Verhältnisses sehen, legen den Schluss nahe, dass derzeit das Stromangebot hinter der Nachfrage herhinkt. Darauf dürfte der erneute Anstieg auf 45 Euro/MWh nach dem Einbruch des CO2-Preises zurückzuführen sein. Zumal der CO2-Preis schon seit Anfang September beharrlich in einem etwa 2 Euro breiten Korridor bleibt.

In diesem Zusammenhang kursiert unter Marktteilnehmern die Meinung, die Kraftwerksbetreiber würden bewusst ihre Kapazitäten knapphalten, um die kurzfristigen Preise hochzuhalten und ihre Vollkosten zu verdienen. Dies ist allerdings kein ehrenrühriges Verhalten. Außerdem, so eine weit verbreitete Meinung, solle eine inverse Preisstruktur mit absteigendem Niveau von 2006 bis 2008 und möglicherweise noch bis 2009 potenzielle Investoren in neue Kraftwerkskapazitäten abschrecken.

Dass Erzeuger versuchen, Überkapazitäten zu vermeiden, ist ökonomisch vernünftig. Auf der sicheren Seite sind sie demnach dann, wenn sie trotz hoher Strompreise keine neuen Kapazitäten schaffen. So laufen sie garantiert nicht Gefahr, sich die Preise kaputtzumachen. Den nicht selbst erzeugten Strom können sie im Großhandel beschaffen und dessen Preis über einen entsprechenden „Marktpreis“ im Vertrieb wieder hereinholen.

Ein nicht von der Hand zu weisendes Argument, das in diesen Tagen üblicherweise von den EVU vorgebracht wird, bezieht sich auf die abwartende Haltung vieler Kunden. Ähnlich wie im Jahre 2003 haben viele Industriekunden und Stadtwerke in diesem Jahr lange gezögert, sich für das folgende Jahr einzudecken und damit für eine aufgestaute Nachfrage gesorgt.

Möglichkeiten zur Preisanpassung auch in der Lieferperiode

Auch Marc Ehry, Geschäftsführer der PCC Energie GmbH, hat diese Beobachtung gemacht: „Es gibt Kunden, die haben ihre Verträge für das nächste Jahr noch nicht unter Dach und Fach.“ Sie hätten fortwährend auf sinkende Preise gewartet und müssten nun zu einem besonders hohen Niveau abschließen. Damit müsse der Preis allerdings nicht zwangsläufig zementiert sein, meint Ehry. Es gebe Möglichkeiten, auch in der Lieferperiode den Preis nach unten anzupassen, etwa bei einer längeren Bindung des Kunden an den Lieferanten. Ob dann schon ein halbes Jahr „länger“ sei oder ein ganzes, müsse man im Einzelfall sehen, meint Ehry.

Angesichts des hohen Preisniveaus werden immer mehr längerfristige Verträge abgeschlossen. Laufzeiten von drei Jahren sind nichts Exotisches mehr. Rainer Kübler, Geschäftsführer der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen, hat mit längerfristigen Verträgen gute Erfahrungen gemacht, zum Vorteil eines großen Teils seiner Kunden. „Wir haben beispielsweise unseren Kunden bereits 2003 zwei Jahre laufende Verträge für die Jahre 2005 und 2006 angeboten.“ Beschafft worden sei der Strom für die beiden Jahre auch gleich damals, auf Neudeutsch back-to-back. „Wir knüpfen immer den Einkauf an den Absatz“, erläutert der Stadtwerke-Chef. Kunden, die etwa ein Drittel des Absatzes der Stadtwerke beziehen, haben Kübler zufolge das Angebot angenommen. Dies zeige, dass es in der Vergangenheit durchaus möglich gewesen sei, Preise abzusichern. Für diejenigen, die jetzt noch ohne Vertrag dastehen, habe er kein Verständnis. Denn wer den Abschluss eines Vertrages hinauszögere, müsse auch darauf gefasst sein, dass der Preis nicht sinke, sondern weiter steige.

Wer jetzt in der misslichen Lage steckt, seinen Bedarf für 2006 noch nicht gedeckt zu haben, mag sich an das Jahr 2003 erinnern, als die Strompreise auch über Monate stetig anstiegen und dann zu Beginn 2004 deutlich zurückgingen. Doch ein weiteres Zögern über den Jahreswechsel hinaus dürfte in vielen Unternehmen an den Risikomanagementvorgaben scheitern, die grundsätzlich eher ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorziehen.

Samstag, 29.11.2025, 16:04 Uhr
Fritz Wilhelm

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