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Die Vorstellungen des Wirtschaftsministeriums für den „Strommarkt der Zukunft“ stoßen in den betroffenen Verbänden nicht nur auf Zustimmung.
Das gilt insbesondere für die Umstellung der Förderung von erneuerbaren Energien, die Kernbestandteil des Strommarktes bleiben soll: Subventionen soll es künftig aber nicht mehr für jede erzeugte Kilowattstunde geben, sondern produktionsunabhängig für Investitionen in Windräder oder Solaranlagen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
(BDEW) unterstützt dieses Fördermodell, „vorausgesetzt, die Methodik der Referenzanlage beziehungsweise des Referenzwertes ist möglichst einfach, praktikabel und für die Realisierung von Neuanlagen risikoarm“. Allerdings erscheine die Einführung des neuen Fördermodells „bis 2027 nicht adäquat realisierbar“.
Auf einem Kapazitätsmarkt (CM) müsse die Verantwortung für die Festlegung des Absicherungsniveaus beim Staat liegen, heißt es in der Stellungnahme des BDEW weiter. Diese Verantwortung dürfe nicht an die regionalen Energieversorger oder die Bilanzkreisverantwortlichen delegiert werden: „Der Staat setzt den politischen und rechtlichen Rahmen, die Unternehmen investieren und stellen die erforderlichen Kapazitäten, Speicher und Flexibilitäten zur Verfügung.“ Der BDEW spricht sich dabei klar für einen „integrierten“ CM aus. Im Unterschied dazu erzeuge ein „kombinierter“ CM mehr Komplexität und zusätzliche Risiken bei der Implementierung.
Offenheit am Kapazitätsmarkt fundamentalIn einem integrierten Markt, der schnell und rechtssicher umgesetzt werden könne, müssten alle „Technologien und Lösungen“ berücksichtigt werden. Die Offenheit des CM sei „von fundamentaler Bedeutung“. Er müsse einen breiten Mix an Technologien und Lösungen gewährleisten. Dazu gehörten unterschiedliche Vertragslaufzeiten und Finanzierungshorizonte und gegebenenfalls „separate Preisobergrenzen“.
Essenziell für die Energiewende sei es, „alle, aber besonders die lastseitigen Flexibilitätsoptionen“ zu aktivieren: „Die Unterscheidung zwischen markt-, system- und netzdienlicher Flexibilität muss klar definiert und priorisiert werden.“ Bei der Einführung flexibler Tarife sieht der BDEW aber Klärungsbedarf.
Der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) begrüßt das „klare Bekenntnis des BMWK zur Beibehaltung der einheitlich deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone“. Sie sorge für hohe Liquidität im Stromhandel. Auch der vom Ministerium „offenbar“ bevorzugte „kombinierte Kapazitätsmarkt“ stößt beim VKU auf Zustimmung, auch wenn der Verband einen „Kapazitätsabsicherungsmechanismus durch Spitzenpreishedging“ nicht für das geeignete Instrument hält, dieses Ziel zu erreichen. Der Verband unterstützt auch die Einführung flexibilitätsfördernder Netzentgelte, die auch den regionalen Netzengpässen stärker Rechnung tragen.
Eine Förderung von Investitionen in erneuerbare Energie hält der VKU in Zukunft für erforderlich. Notwendig sei aber auch ein „systemdienlicher Betrieb“ der Anlagen. Die Bereitstellung von Flexibilität müsse technisch einfach umsetzbar und ökonomisch attraktiv ausgestaltet werden, um ausreichende Potenziale bei Erzeugung und Verbrauch zu aktivieren. Die Grundlage dafür müsse ein „pragmatischer regulatorischer Rahmen“ sein.
Mehr Probleme als LösungenKritisch steht die Gaswirtschaft den Plänen für den Strommarkt gegenüber. „Der komplexe, hybride Ansatz des BMWK schafft mehr Unsicherheiten als er löst“, sagt Timm Kehler, der Vorsitzende des Branchenverbandes „Zukunft Gas“. Die Erfahrung aus Ländern wie Großbritannien oder Frankreich zeige, dass ein zentraler CM Investitionen in steuerbare Kraftwerke fördere, ohne die Komplexität des hybriden Modells. Das sei schwer umsetzbar, ineffektiv und fehleranfällig. Seine Genehmigung durch die EU-Kommission sei „vollkommen offen“. Gerade das werde Investoren abschrecken.
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht vor allem die Umstellung der Fördersystematik kritisch. „Schnellschüsse“ oder „Systembrüche“ müssten vermieden werden, sagt BEE-Chefin Simone Peters: „Ein zukunftsfähiges Strommarktdesign muss im Wesentlichen Flexibilitäten in den Fokus rücken.“ Der Mangel an Flexibilität sei die Ursache dafür, dass grüne Kapazitäten immer häufiger abgeregelt werden müssten und die Strompreise ins Minus rutschten.
Produktionsabhängige Contracts for Difference (CfD) mit einer Preisober- und -untergrenze honorierten ein „markt- und netzdienliches Verhalten“ der Erneuerbaren und seien somit geeignet, ihre Marktintegration zu unterstützen. Produktionsunabhängige Fördermodelle basierten dagegen auf Modellen, deren Wirkung bislang unbekannt seien. Solche „riskanten Experimente“ brächten die „Gefahr eines Fadenrisses“ mit sich, der vermieden werden müsse.
Auch das Greenpeace-nahe Institut Green Planet in Hamburg sieht in den Vorschlägen des Wirtschaftsministeriums ein Risiko für die Marktintegration der Erneuerbaren. Es fehle an einer Verknüpfung von CfD und Power Purchase Agreements (PPA), sagt die Leiterin Carolin Dahling: „Wenn Anlagenbetreiber, wie jetzt vom BMWK vorgesehen, nicht mehr zwischen marktlicher und staatlicher Finanzierung wechseln können, stellt das ein enormes Investitionsrisiko dar.“ Erfreulich sei dagegen, dass der BMWK Flexibilität „zur neuen Leitwährung im Strommarkt erklärt“. Das müsse jetzt auch bei der Ausgestaltung des CM berücksichtigt werden.
Montag, 9.09.2024, 17:33 Uhr
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