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Energie & Management > Stromnetz - Experten warnen vor Eingriffen in Strommärkte
Quelle: Shutterstock / peopleandmore
Stromnetz

Experten warnen vor Eingriffen in Strommärkte

Auf dem 3. Strommarktforum der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber ging es um die Zukunft des Marktdesigns. Dabei kritisierten Fachleute die geplanten Markteingriffe der EU-Länder.
Wegen der aktuellen Energiepreiskrise haben einzelne EU-Länder bereits in die Energiemärkte eingegriffen. Auch die Bundesregierung hat am 29. September eine Gaspreisbremse angekündigt und der geplanten Gasumlage eine Absage erteilt. Am Folgetag will die Europäische Union einen Beschluss fassen, wie Zufallsgewinne von Energieunternehmen abgeschöpft werden können und die Einnahmen zur Entlastung von hohen Energiepreisen eingesetzt werden können.

Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich das 3. Strommarktforum der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) mit der Zukunft des Strommarktdesigns. Angesichts der ehrgeizigen Energiewendeziele Deutschlands stünden hohe Investitionen in erneuerbare Energieerzeugung, Speicher und Netze an, erinnerten die Teilnehmer. Zu 80 % soll Strom bis 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2035 sogar zu 100 %. Dafür müsse das Marktdesign die richtigen Investitionsimpulse setzen, so das Fazit der Experten von 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW.

Casimir Lorenz vom Beratungshaus Aurora Energy Research warnte vor steigenden Investitionskosten durch Markteingriffe. „Eingriffe des Staates in die Energiemärkte erschüttern das Vertrauen der Investoren auf verlässliche Konditionen“, fürchtet Lorenz. „Wir müssen Investitionen in richtige Projekte anregen, die zum Beispiel mehr erneuerbare Energie in den Markt bringt“, sagte Thorsten Lenck von der Politikberatung Agora-Energiewende.

„Übergewinn“-Abschöpfung schwierig

Lenck warnte vor der geplanten Abschöpfung von höheren Erlösen bei den Unternehmen. Die Idee „Übergewinne“ abzuschöpfen sei verständlich wegen zu hoher Kosten für Haushalte und Unternehmen. Gewinne, die ohne unternehmerisches Handeln entstanden seien, nur aufgrund der Marktverwerfungen, könnten durchaus besteuert werden, meinte Lenck. „Aber man darf eben nicht Erlöse abgreifen sondern Gewinne, das ist ein wichtiger Unterschied“, erinnerte er. Das könnte über eine Besteuerung geschehen.

Unternehmen, die langfristig preiswert Strom eingekauft haben und über langfristige Verträge zu noch niedrigen Preisen liefern, würden sonst schuldlos getroffen. „Ich warne davor, in die Marktmechanismen einzugreifen“, sagte Lenck. Der Markt sei mit den verschiedenen Produkten und Handelszeiträumen sehr komplex. Die geplante Abschöpfung von Erlösen werde zu Ausweichversuchen führen, die einzelne Marktteilnehmer „austrocknen“ und am Ende die Versorgungssicherheit beschädigen, fürchtet der Agora-Experte.
 
Entwicklung der Strompreise 2021-2022. Gab es zuerst einen Ruf nach Preisspitzen, werden nun Kappungen gefordert
Quelle Neumann/Tennet

Darin stimmte ihm Christoph Neumann vom Übertragungsnetzbetreiber Tennet zu. Er erwartet dennoch von der EU am 30. September einen Beschluss zur Einkommenskappung. „Allerdings lagen im Vorfeld noch viel schlechtere Vorschläge auf dem Tisch“, gab er zu bedenken. „Es kommt massiv darauf an, wie der Revenue-Cap ausgestaltet wird“, sagte Neumann. Die Maßnahmen seien zunächst mit einer Gültigkeit bis Ende März 2023 geplant. „Das passt nicht zu den Amortisationszeiten der Energiewirtschaft“, daher müsse eine solche Maßnahme der EU-Kommission eine kurzfristige sein, forderte Neumann.

Regelenergie vom Preiscap ausnehmen

Stefan Krieger, BDEW-Experte für Kapazitätsmechanismen, sagte, es sei unabdingbar, dass die Regelenergiemärkte und Absicherungsgeschäfte und Redispatch von den Erlösobergrenzen der EU-Regulierung ausgenommen werden. „Die hohen Erwartungen, die an die Preisentspannung geknüpft werden, werden sich nicht erfüllen“, prognostizierte er. Papiere, die im Halbtagesrhythmus neu entworfen werden, könnten nicht gut durchdacht und wirksam sein, kritisierte Krieger die Politik.

Richtige Marktsignale seien die Maßnahmen der Regierung, zusätzlich Gas zu beschaffen und Reservekraftwerke wieder ans Netz zu bringen, um die Energieknappheit zu verringern. Speicherlösungen könnten mehr erneuerbare Energie in den Markt bringen, solche Investitionen seien aber vor dem aktuellen Hintergrund nicht so einfach, sagte Krieger.

Aufspaltung Deutschlands in Strompreiszonen geprüft

Florian Rewald vom Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz beschäftigt sich mit der Vorgabe der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Acer). Bis Sommer 2023 wird in verschiedenen Ländern geprüft, ob eine Aufteilung in Strompreiszonen geboten ist. Acer hatte in der Entscheidung vom 8. August 2022 alternative Gebotszonenkonfigurationen vorgelegt. Für Deutschland müssen nun vier verschiedene deutsche Split-Szenarien bewertet werden, erläuterte Rewald.

Dabei geht es sowohl um die Umsetzbarkeit eines Splittings, wie den nötigen Zeitrahmen und die Kosten für die Verantwortlichen. Diese Auswirkungen werden bis August 2023 im Entso-E Bidding Zone Review anhand von 22 Kriterien bewertet. Auf dieser Basis sprechen die europäischen Übertragungsnetzbetreiber eine Empfehlung für oder gegen eine Anpassung der aktuellen Konfiguration aus. „Wir beschäftigen uns intensiv mit der Entscheidung von Acer“, sagte Rewald. Noch sei das Ergebnis nicht absehbar.

Donnerstag, 29.09.2022, 17:01 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Stromnetz - Experten warnen vor Eingriffen in Strommärkte
Quelle: Shutterstock / peopleandmore
Stromnetz
Experten warnen vor Eingriffen in Strommärkte
Auf dem 3. Strommarktforum der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber ging es um die Zukunft des Marktdesigns. Dabei kritisierten Fachleute die geplanten Markteingriffe der EU-Länder.
Wegen der aktuellen Energiepreiskrise haben einzelne EU-Länder bereits in die Energiemärkte eingegriffen. Auch die Bundesregierung hat am 29. September eine Gaspreisbremse angekündigt und der geplanten Gasumlage eine Absage erteilt. Am Folgetag will die Europäische Union einen Beschluss fassen, wie Zufallsgewinne von Energieunternehmen abgeschöpft werden können und die Einnahmen zur Entlastung von hohen Energiepreisen eingesetzt werden können.

Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich das 3. Strommarktforum der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) mit der Zukunft des Strommarktdesigns. Angesichts der ehrgeizigen Energiewendeziele Deutschlands stünden hohe Investitionen in erneuerbare Energieerzeugung, Speicher und Netze an, erinnerten die Teilnehmer. Zu 80 % soll Strom bis 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen, bis 2035 sogar zu 100 %. Dafür müsse das Marktdesign die richtigen Investitionsimpulse setzen, so das Fazit der Experten von 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW.

Casimir Lorenz vom Beratungshaus Aurora Energy Research warnte vor steigenden Investitionskosten durch Markteingriffe. „Eingriffe des Staates in die Energiemärkte erschüttern das Vertrauen der Investoren auf verlässliche Konditionen“, fürchtet Lorenz. „Wir müssen Investitionen in richtige Projekte anregen, die zum Beispiel mehr erneuerbare Energie in den Markt bringt“, sagte Thorsten Lenck von der Politikberatung Agora-Energiewende.

„Übergewinn“-Abschöpfung schwierig

Lenck warnte vor der geplanten Abschöpfung von höheren Erlösen bei den Unternehmen. Die Idee „Übergewinne“ abzuschöpfen sei verständlich wegen zu hoher Kosten für Haushalte und Unternehmen. Gewinne, die ohne unternehmerisches Handeln entstanden seien, nur aufgrund der Marktverwerfungen, könnten durchaus besteuert werden, meinte Lenck. „Aber man darf eben nicht Erlöse abgreifen sondern Gewinne, das ist ein wichtiger Unterschied“, erinnerte er. Das könnte über eine Besteuerung geschehen.

Unternehmen, die langfristig preiswert Strom eingekauft haben und über langfristige Verträge zu noch niedrigen Preisen liefern, würden sonst schuldlos getroffen. „Ich warne davor, in die Marktmechanismen einzugreifen“, sagte Lenck. Der Markt sei mit den verschiedenen Produkten und Handelszeiträumen sehr komplex. Die geplante Abschöpfung von Erlösen werde zu Ausweichversuchen führen, die einzelne Marktteilnehmer „austrocknen“ und am Ende die Versorgungssicherheit beschädigen, fürchtet der Agora-Experte.
 
Entwicklung der Strompreise 2021-2022. Gab es zuerst einen Ruf nach Preisspitzen, werden nun Kappungen gefordert
Quelle Neumann/Tennet

Darin stimmte ihm Christoph Neumann vom Übertragungsnetzbetreiber Tennet zu. Er erwartet dennoch von der EU am 30. September einen Beschluss zur Einkommenskappung. „Allerdings lagen im Vorfeld noch viel schlechtere Vorschläge auf dem Tisch“, gab er zu bedenken. „Es kommt massiv darauf an, wie der Revenue-Cap ausgestaltet wird“, sagte Neumann. Die Maßnahmen seien zunächst mit einer Gültigkeit bis Ende März 2023 geplant. „Das passt nicht zu den Amortisationszeiten der Energiewirtschaft“, daher müsse eine solche Maßnahme der EU-Kommission eine kurzfristige sein, forderte Neumann.

Regelenergie vom Preiscap ausnehmen

Stefan Krieger, BDEW-Experte für Kapazitätsmechanismen, sagte, es sei unabdingbar, dass die Regelenergiemärkte und Absicherungsgeschäfte und Redispatch von den Erlösobergrenzen der EU-Regulierung ausgenommen werden. „Die hohen Erwartungen, die an die Preisentspannung geknüpft werden, werden sich nicht erfüllen“, prognostizierte er. Papiere, die im Halbtagesrhythmus neu entworfen werden, könnten nicht gut durchdacht und wirksam sein, kritisierte Krieger die Politik.

Richtige Marktsignale seien die Maßnahmen der Regierung, zusätzlich Gas zu beschaffen und Reservekraftwerke wieder ans Netz zu bringen, um die Energieknappheit zu verringern. Speicherlösungen könnten mehr erneuerbare Energie in den Markt bringen, solche Investitionen seien aber vor dem aktuellen Hintergrund nicht so einfach, sagte Krieger.

Aufspaltung Deutschlands in Strompreiszonen geprüft

Florian Rewald vom Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz beschäftigt sich mit der Vorgabe der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Acer). Bis Sommer 2023 wird in verschiedenen Ländern geprüft, ob eine Aufteilung in Strompreiszonen geboten ist. Acer hatte in der Entscheidung vom 8. August 2022 alternative Gebotszonenkonfigurationen vorgelegt. Für Deutschland müssen nun vier verschiedene deutsche Split-Szenarien bewertet werden, erläuterte Rewald.

Dabei geht es sowohl um die Umsetzbarkeit eines Splittings, wie den nötigen Zeitrahmen und die Kosten für die Verantwortlichen. Diese Auswirkungen werden bis August 2023 im Entso-E Bidding Zone Review anhand von 22 Kriterien bewertet. Auf dieser Basis sprechen die europäischen Übertragungsnetzbetreiber eine Empfehlung für oder gegen eine Anpassung der aktuellen Konfiguration aus. „Wir beschäftigen uns intensiv mit der Entscheidung von Acer“, sagte Rewald. Noch sei das Ergebnis nicht absehbar.

Donnerstag, 29.09.2022, 17:01 Uhr
Susanne Harmsen

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