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Energie & Management > Schleswig-Holstein - Erneuerbaren-Pläne von Schwarz-Grün noch im Ungefähren
Quelle: Fotolia / Rene Grycner
Schleswig-Holstein

Erneuerbaren-Pläne von Schwarz-Grün noch im Ungefähren

Geht’s ein wenig konkreter? In den Tenor, der den schwarz-grünen Koalitionsvertrag im Energiebereich für zu vage hält, stimmt auch der Erneuerbaren-Verband Schleswig-Holsteins ein.
Es ist noch kein Gegenwind, der den schwarz-grünen Ausbauplänen für die regenerativen Energien im Norden Deutschlands entgegenschlägt, aber doch Skepsis. Der schleswig-holsteinische Landesverband Erneuerbare Energien (LEE SH) kratzt sich angesichts der Ausformulierungen im Koalitionsvertrag am Kopf. „Uns verwundert ein bisschen, dass der erhöhte Zubau von Windkraft onshore nicht mit einem konkreten Datum hinterlegt ist“, so LEE-Geschäftsführer Markus Hrach auf Anfrage unserer Redaktion.

Grundsätzlich liest Hrach, der zugleich beim Nordableger des Bundesverbands Windenergie (BWE SH) die Geschäftsstelle führt, das von CDU und Grünen in Kiel vorgelegte Papier positiv. Darin haben die Bündnispartner verabredet, das zuvor für 2025 auf 10.000 MW festgelegte Ausbauziel für Windkraft auf 15.000 MW installierter Leistung ausbauen zu wollen. Ihm fehle dafür allerdings eine Frist, um den Zubau operationalisieren zu können, so Hrach.

Für 5.000 MW mehr Wind fehlen Flächen und Frist

Womöglich bleibt die designierte Zwei-Parteien-Regierung – der der vormalige Partner FDP in Vorsondierungen abhanden gekommen war – in vielen Punkten noch vage, weil für die Kalkulation schlicht keine Zeit blieb. Die Grünen unter Verhandlungsführerin und Finanzministerin Monika Heinold drängten auf eine Klimaneutralität des Bundeslandes bis 2035, die Konservativen unter Ministerpräsident Daniel Günther peilten erst 2045 an. Der Kompromiss lautet nun 2040.

Der LEE SH blickt mit Spannung auf einen Knackpunkt bei der Windkraft: die nötigen Flächen. Um allein das alte Ziel von 10.000 MW Gesamtkapazität bis 2025 zu erreichen, fehlen noch 3.100 MW. Das sind etwa 600 Windturbinen. „Das ist trotz Lieferengpässen und Kostensteigerungen so gerade zu erreichen“, glaubt Hrach.

Magendrücken bereitet ihm die Perspektive über 2025 hinaus. Als Einspeiseziel für 2030 will Schwarz-Grün 45 Mrd. kWh Grünstrom festschreiben. Dazu soll Wind an Land 30 bis 35 Mrd. kWh beitragen. „Dann müssten die 15.000 MW Leistung bereits 2030 erreicht sein“, so Hrachs Rechnung. Und so wird es mit der Flächenkulisse spannend.

Erneuerbaren-Verband sieht Ende der Abstandsregeln

Eine Fraunhofer-Studie, die der LEE SH in Auftrag gegeben und jüngst veröffentlicht hat, macht die Probleme offenkundig. Demnach sind aktuell nur 1,1 % der Landesfläche für Windkraft ausgewiesen. Der Bund verlangt von Schleswig-Holstein aber 2 %. Diese Areale sind schwer zu finden.

Wenn Schwarz-Grün nicht die Axt an einige verzweigte Rahmenbedingungen legt: 
Im Moment muss noch jener Bereich zum Flächenbedarf einer Windkraftanlage gerechnet werden, die der Rotor überstreift. Dadurch wird das 2%-Ziel schneller erreicht, aber mit weniger Anlagen. Ausbaufreundlich wäre es, wie auch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) favorisiert, die Rotoren sozusagen herauszurechnen. Hinzu kommen Landesregelungen, nach denen im Genehmigungsverfahren das Drei- bis Fünffache der Höhe einer Anlage als Abstand zur Wohnbebauung einzuhalten ist. „Die Regierung muss sich von dieser Regelung trennen“, fordert Markus Hrach. Der BWE lese diese Bereitschaft aber auch aus dem Koalitionsvertrag heraus. Gleichwohl müsse dafür eine neue Regionalplanung her, die nicht wieder fünfeinhalb Jahre Zeit in Anspruch nehmen dürfe, so Hrach.

Unterschiedlich schaut der Interessenverband auf die Koalitionspläne zu Biogas - hier werde Potenzial verkannt - und zur Solarkraft. Die Pflicht zur Installation von Dachanlagen soll 2025 kommen. Hrach vermisst auch hier eine konkrete Angabe, nämlich, für welche Neubauten dies gelten solle. Grundsätzlich begrüßt er die Überlegungen, mehr Freiflächen – zum Beispiel an Strom-, Autobahn- und Bahntrassen – zu entwickeln. Auch benachteiligte Ackerflächen sind in der Diskussion, Hrach hofft zudem auf positive Signale für Solarkraft in bestimmten Naturschutzgebieten. Dagegen begehrt allerdings der Naturschutzbund (Nabu) in ersten Reaktionen auf.

Parlamentarischer ​Staatssekretär steigt auf

Ob die Belange von Landwirtschaft, Erneuerbaren und Naturschutz künftig Hand in Hand gehen, ist fraglich. Denn die künftige Koalition hat die Verantwortlichkeit aus dem Umweltressort ausgelagert. Das kritisiert nicht nur der Bauernverband, der aufwändigere Abstimmungen befürchtet.

In der Neuverteilung der Spitzenpositionen wird Tobias Goldschmidt (Grüne), der vom Posten des Parlamentarischen Staatssekretärs an die Spitze des Energiewende-Ministeriums rücken. Von dessen Verhandlungsgeschick wird es auch abhängen, wie die Koalitionspläne ins Energiewende- und Klimaschutzgesetz (EWKG) Eingang finden.

Brunsbüttel lobt Bekenntnis zur LNG-Terminal-Infrastruktur

Auf Unterstützung kann Schwarz-Grün aus Brunsbüttel setzen. Der Sprecher der Werkleiterrunde des „ChemCoast Park“ Brunsbüttel, Frank Schnabel, sieht in den Koalitionsplänen nun eine gute Chance, den Hafen dank kommendem Flüssigerdgas(LNG)-Terminal „als wettbewerbsfähigen Energiestandort der Zukunft zu positionieren“. Ein Grünen-Landesparteitag hatte das Projekt abgelehnt und war damit den eigenen Ministern in den Rücken gefallen.

Freitag, 24.06.2022, 15:51 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Schleswig-Holstein - Erneuerbaren-Pläne von Schwarz-Grün noch im Ungefähren
Quelle: Fotolia / Rene Grycner
Schleswig-Holstein
Erneuerbaren-Pläne von Schwarz-Grün noch im Ungefähren
Geht’s ein wenig konkreter? In den Tenor, der den schwarz-grünen Koalitionsvertrag im Energiebereich für zu vage hält, stimmt auch der Erneuerbaren-Verband Schleswig-Holsteins ein.
Es ist noch kein Gegenwind, der den schwarz-grünen Ausbauplänen für die regenerativen Energien im Norden Deutschlands entgegenschlägt, aber doch Skepsis. Der schleswig-holsteinische Landesverband Erneuerbare Energien (LEE SH) kratzt sich angesichts der Ausformulierungen im Koalitionsvertrag am Kopf. „Uns verwundert ein bisschen, dass der erhöhte Zubau von Windkraft onshore nicht mit einem konkreten Datum hinterlegt ist“, so LEE-Geschäftsführer Markus Hrach auf Anfrage unserer Redaktion.

Grundsätzlich liest Hrach, der zugleich beim Nordableger des Bundesverbands Windenergie (BWE SH) die Geschäftsstelle führt, das von CDU und Grünen in Kiel vorgelegte Papier positiv. Darin haben die Bündnispartner verabredet, das zuvor für 2025 auf 10.000 MW festgelegte Ausbauziel für Windkraft auf 15.000 MW installierter Leistung ausbauen zu wollen. Ihm fehle dafür allerdings eine Frist, um den Zubau operationalisieren zu können, so Hrach.

Für 5.000 MW mehr Wind fehlen Flächen und Frist

Womöglich bleibt die designierte Zwei-Parteien-Regierung – der der vormalige Partner FDP in Vorsondierungen abhanden gekommen war – in vielen Punkten noch vage, weil für die Kalkulation schlicht keine Zeit blieb. Die Grünen unter Verhandlungsführerin und Finanzministerin Monika Heinold drängten auf eine Klimaneutralität des Bundeslandes bis 2035, die Konservativen unter Ministerpräsident Daniel Günther peilten erst 2045 an. Der Kompromiss lautet nun 2040.

Der LEE SH blickt mit Spannung auf einen Knackpunkt bei der Windkraft: die nötigen Flächen. Um allein das alte Ziel von 10.000 MW Gesamtkapazität bis 2025 zu erreichen, fehlen noch 3.100 MW. Das sind etwa 600 Windturbinen. „Das ist trotz Lieferengpässen und Kostensteigerungen so gerade zu erreichen“, glaubt Hrach.

Magendrücken bereitet ihm die Perspektive über 2025 hinaus. Als Einspeiseziel für 2030 will Schwarz-Grün 45 Mrd. kWh Grünstrom festschreiben. Dazu soll Wind an Land 30 bis 35 Mrd. kWh beitragen. „Dann müssten die 15.000 MW Leistung bereits 2030 erreicht sein“, so Hrachs Rechnung. Und so wird es mit der Flächenkulisse spannend.

Erneuerbaren-Verband sieht Ende der Abstandsregeln

Eine Fraunhofer-Studie, die der LEE SH in Auftrag gegeben und jüngst veröffentlicht hat, macht die Probleme offenkundig. Demnach sind aktuell nur 1,1 % der Landesfläche für Windkraft ausgewiesen. Der Bund verlangt von Schleswig-Holstein aber 2 %. Diese Areale sind schwer zu finden.

Wenn Schwarz-Grün nicht die Axt an einige verzweigte Rahmenbedingungen legt: 
Im Moment muss noch jener Bereich zum Flächenbedarf einer Windkraftanlage gerechnet werden, die der Rotor überstreift. Dadurch wird das 2%-Ziel schneller erreicht, aber mit weniger Anlagen. Ausbaufreundlich wäre es, wie auch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) favorisiert, die Rotoren sozusagen herauszurechnen. Hinzu kommen Landesregelungen, nach denen im Genehmigungsverfahren das Drei- bis Fünffache der Höhe einer Anlage als Abstand zur Wohnbebauung einzuhalten ist. „Die Regierung muss sich von dieser Regelung trennen“, fordert Markus Hrach. Der BWE lese diese Bereitschaft aber auch aus dem Koalitionsvertrag heraus. Gleichwohl müsse dafür eine neue Regionalplanung her, die nicht wieder fünfeinhalb Jahre Zeit in Anspruch nehmen dürfe, so Hrach.

Unterschiedlich schaut der Interessenverband auf die Koalitionspläne zu Biogas - hier werde Potenzial verkannt - und zur Solarkraft. Die Pflicht zur Installation von Dachanlagen soll 2025 kommen. Hrach vermisst auch hier eine konkrete Angabe, nämlich, für welche Neubauten dies gelten solle. Grundsätzlich begrüßt er die Überlegungen, mehr Freiflächen – zum Beispiel an Strom-, Autobahn- und Bahntrassen – zu entwickeln. Auch benachteiligte Ackerflächen sind in der Diskussion, Hrach hofft zudem auf positive Signale für Solarkraft in bestimmten Naturschutzgebieten. Dagegen begehrt allerdings der Naturschutzbund (Nabu) in ersten Reaktionen auf.

Parlamentarischer ​Staatssekretär steigt auf

Ob die Belange von Landwirtschaft, Erneuerbaren und Naturschutz künftig Hand in Hand gehen, ist fraglich. Denn die künftige Koalition hat die Verantwortlichkeit aus dem Umweltressort ausgelagert. Das kritisiert nicht nur der Bauernverband, der aufwändigere Abstimmungen befürchtet.

In der Neuverteilung der Spitzenpositionen wird Tobias Goldschmidt (Grüne), der vom Posten des Parlamentarischen Staatssekretärs an die Spitze des Energiewende-Ministeriums rücken. Von dessen Verhandlungsgeschick wird es auch abhängen, wie die Koalitionspläne ins Energiewende- und Klimaschutzgesetz (EWKG) Eingang finden.

Brunsbüttel lobt Bekenntnis zur LNG-Terminal-Infrastruktur

Auf Unterstützung kann Schwarz-Grün aus Brunsbüttel setzen. Der Sprecher der Werkleiterrunde des „ChemCoast Park“ Brunsbüttel, Frank Schnabel, sieht in den Koalitionsplänen nun eine gute Chance, den Hafen dank kommendem Flüssigerdgas(LNG)-Terminal „als wettbewerbsfähigen Energiestandort der Zukunft zu positionieren“. Ein Grünen-Landesparteitag hatte das Projekt abgelehnt und war damit den eigenen Ministern in den Rücken gefallen.

Freitag, 24.06.2022, 15:51 Uhr
Volker Stephan

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