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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Chancen für Erneuerbare im Osten
Quelle: Fotolia / koya979
E&M Vor 20 Jahren

Chancen für Erneuerbare im Osten

Im November 2004 veröffentlichte E&M einen Artikel über die Potenziale erneuerbarer Energien bei den damaligen „neuen“ EU-Länder. 
Im Mai 2004 traten weitere zehn Länder der Europäischen Union bei: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Slowakei, Zypern und Malta. Mit der Erweiterung um zehn Länder wuchs die Europäische Union auf 25 Mitgliedstaaten an. E&M nahm dies vor 20 Jahren zum Anlass, in diesen Ländern die Chancen für die Erneuerbaren analysierte

Der Einsatz erneuerbarer Energien in den neuen EU-Staaten ist höchst unterschiedlich. Von üppigen Ökostrom-Förderungen ist man zumeist weit entfernt – Slowenien ist die Ausnahme. Größtes Potenzial orten die meisten der neuen Mitgliedsstaaten in der Verwertung von Biomasse. 

Allen gemeinsam ist den EU-Neulingen, dass sie auf ein hohes Potenzial an Biomasse zurückgreifen können. Alleine für Polen mit seinem noch stark ausgeprägten Agrarsektor bietet das enorme Chancen. Energie aus Abfallprodukten der Landwirtschaft kann so der maroden Wirtschaft gleich mehrfach unter die Arme greifen: Finanzielle Anreize für Bauern, Ausbau der ländlichen Infrastruktur und Verringerung der Importabhängigkeit von Öl und Erdgas. Alleine die nicht verwerteten Teile des Getreides liefern in Polen rund 25 Mio. t Stroh, die man verheizen kann. „Hinzu kommen bereits jetzt Hunderttausende der insgesamt 2,9 Mio. Bauernhöfe, die mit Holz heizen“ so Piotr Gradziuk von der Universität Lublin.

Drei Viertel der verbrauchten 3784 Petajoule Primärenergie in Polen stammen nach wie vor aus Steinkohle, wovon reichlich im eigenen Land vorhanden ist. Der Anteil der Erneuerbaren wird auf rund vier Prozent geschätzt. In Summe: Gerade einmal erste Ansätze. Vor allem mangelhafte bis gar keine Regulierung sowie kaum Budget zur Förderung der kapitalintensiven Biomasse-Anlagen ersticken eine aufkeimende Euphorie eigentlich wieder im Keim.

Tschechien – Heimat zahlreicher Schwerindustrien – verbraucht 1,7 Mal mehr Energie pro Kopf als der Durchschnitt der früheren EU-15; 1.700 Petajoule an Primärenergien jährlich insgesamt. Und davon stammen 53 % aus Kohle des Böhmerwalds. Damit einhergehen eine starke Umweltbelastung in Nordböhmen sowie ein CO2-Ausstoß von 12,5 t pro Einwohner. „In Summe“, wie der tschechische Energieexperte Petr Holub schildert, „keine erfreuliche Situation.“

Bei einer Gesamtproduktion von 83 TWh erzielte Tschechien 2003 als Strom-Exporteur einen Überschuss von 16 TWh. „Das Potenzial der Erneuerbaren ist dabei noch kaum ausgeschöpft“, so Holub. Vor allem kommen größere und kleinere Wasserkraftwerke zum Einsatz. Windkraft liefert noch geringen Output; Biomasse beginnt man eben in kommunalen Einrichtungen sowie in den Kohlekraftwerken einzusetzen. Der Anteil der Erneuerbaren an der Primärenergie liegt in Tschechien bei 2 %, am gesamten Energieverbrauch bei 3,5 %. Ein Wert, den die Tschechen bis 2010 auf 8 % anheben wollen. Bis 2050 kalkulieren sie damit, immerhin 30 % der Primärenergien aus Erneuerbaren zu beziehen. Was auch ein Job-Argument wäre: Auf der Roadmap zu diesem Ziel stehen 59.000 neue Stellen bis 2030.

„Aktuell“, so Holub, „verharrt man noch in der Demonstrations-Ära.“ Denn schon mehr als ein Jahr lang wird im Prager Parlament das entsprechende Gesetz zu den Erneuerbaren verschleppt – erst im Frühjahr 2005 sollte es für 15 Jahre garantierte Ökostrompreise und damit die notwendige Sicherheit für langfristige Investments geben. Allerdings: Abnahmegarantien für den Ökostrom – wie etwa in Österreich – wird es in Tschechien nicht geben.

Die Slowakei hat aufgrund der geplanten Abschaltung des Atomkraftwerkes Bohunice in den nächsten drei bis fünf Jahren besondere Herausforderungen zu meistern. Nicht genug, dass generell 90 % aller Energiequellen importiert werden müssen, wächst nun der Strombedarf durch die angelockte Automobilindustrie – Peugeot Citroen in Trnava und KIA Motors bei Zilina – rapide an. Trotzdem ist die Motivation in der Slowakei, in Erneuerbare zu investieren, gering.

Derzeit ist es vor allem die Donau, welche zu den 15,5 TWh Wasserkraftstrom jährlich beiträgt. Weitere Potenziale ortet Juraj Kopcak vom European Technological Centre in Presov vor allem in Biomasse, Solarenergie und Geothermie, wenngleich in bescheidenem Rahmen. Vor allem die Holzindustrie würde jährlich 1.265 Mio. t ungenutzte Biomasse generieren – ein Potenzial von 35 Petajoule, wovon erst neun genutzt werden. Geothermie spielt aktuell im Tourismus und für die Beheizung von Glashäusern eine größere Rolle. Insgesamt soll 2010 der Anteil der Erneuerbaren in der Slowakei bei 20 % liegen. Dazu sollen nun die Unternehmen angehalten werden, vermehrt Erneuerbare einzusetzen. Einen verbindlichen Rechtsrahmen dafür gibt es aber ebenso wenig wie es Geld gibt.

Slowenien hat indessen die Förderungen der Erneuerbaren auf jährlich 58 Mio. Euro erhöht. Als ein Land, das massiv auf Energieimporte angewiesen ist, forciert es entsprechend stärker die mögliche Nutzung eigener Ressourcen. Vor allem Holz – Slowenien ist nach Schweden das waldreichste Land Europas. Auch Ungarn will bis 2010 den Einsatz der Erneuerbaren auf 72 Petajoule verdoppeln. Und zwar vorwiegend mit Biomasse.

Und auch in den baltischen Staaten gibt es reichlich Wald. Und lange Küsten: Alleine in Estland sind es 3794 km (2450 davon auf Inseln), die intensiv für die Windkraft genutzt werden könnten. Aufgrund reichlichem Vorkommen von Ölschiefer spielen Erneuerbare aber eine noch marginale Rolle: Sie tragen mit 0,2 % zur Energiebedarfsdeckung bei. Anders in Lettland, wo Wasserkraft 75 % des Strombedarfs abdeckt und zudem Windkraft für immerhin 24 MW sorgt. Biomasse, Stroh und Biogas werden hier ebenso stark gefördert und genutzt. Litauen schließlich ist jenes Land auf Erden mit der größten Abhängigkeit von Atomenergie – Energie, die von einem einzigen AKW (Ignalina) geliefert wird. Eine Abhängigkeit, die schon 2005 mit der Schließung der ersten beiden Reaktoren verändert werden wird. Biomasse und Windkraft sollen die Lücke schließen. 

Freitag, 1.11.2024, 22:56 Uhr
Markus Zwettler
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Chancen für Erneuerbare im Osten
Im November 2004 veröffentlichte E&M einen Artikel über die Potenziale erneuerbarer Energien bei den damaligen „neuen“ EU-Länder. 
Im Mai 2004 traten weitere zehn Länder der Europäischen Union bei: Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Tschechien, Slowenien, Slowakei, Zypern und Malta. Mit der Erweiterung um zehn Länder wuchs die Europäische Union auf 25 Mitgliedstaaten an. E&M nahm dies vor 20 Jahren zum Anlass, in diesen Ländern die Chancen für die Erneuerbaren analysierte

Der Einsatz erneuerbarer Energien in den neuen EU-Staaten ist höchst unterschiedlich. Von üppigen Ökostrom-Förderungen ist man zumeist weit entfernt – Slowenien ist die Ausnahme. Größtes Potenzial orten die meisten der neuen Mitgliedsstaaten in der Verwertung von Biomasse. 

Allen gemeinsam ist den EU-Neulingen, dass sie auf ein hohes Potenzial an Biomasse zurückgreifen können. Alleine für Polen mit seinem noch stark ausgeprägten Agrarsektor bietet das enorme Chancen. Energie aus Abfallprodukten der Landwirtschaft kann so der maroden Wirtschaft gleich mehrfach unter die Arme greifen: Finanzielle Anreize für Bauern, Ausbau der ländlichen Infrastruktur und Verringerung der Importabhängigkeit von Öl und Erdgas. Alleine die nicht verwerteten Teile des Getreides liefern in Polen rund 25 Mio. t Stroh, die man verheizen kann. „Hinzu kommen bereits jetzt Hunderttausende der insgesamt 2,9 Mio. Bauernhöfe, die mit Holz heizen“ so Piotr Gradziuk von der Universität Lublin.

Drei Viertel der verbrauchten 3784 Petajoule Primärenergie in Polen stammen nach wie vor aus Steinkohle, wovon reichlich im eigenen Land vorhanden ist. Der Anteil der Erneuerbaren wird auf rund vier Prozent geschätzt. In Summe: Gerade einmal erste Ansätze. Vor allem mangelhafte bis gar keine Regulierung sowie kaum Budget zur Förderung der kapitalintensiven Biomasse-Anlagen ersticken eine aufkeimende Euphorie eigentlich wieder im Keim.

Tschechien – Heimat zahlreicher Schwerindustrien – verbraucht 1,7 Mal mehr Energie pro Kopf als der Durchschnitt der früheren EU-15; 1.700 Petajoule an Primärenergien jährlich insgesamt. Und davon stammen 53 % aus Kohle des Böhmerwalds. Damit einhergehen eine starke Umweltbelastung in Nordböhmen sowie ein CO2-Ausstoß von 12,5 t pro Einwohner. „In Summe“, wie der tschechische Energieexperte Petr Holub schildert, „keine erfreuliche Situation.“

Bei einer Gesamtproduktion von 83 TWh erzielte Tschechien 2003 als Strom-Exporteur einen Überschuss von 16 TWh. „Das Potenzial der Erneuerbaren ist dabei noch kaum ausgeschöpft“, so Holub. Vor allem kommen größere und kleinere Wasserkraftwerke zum Einsatz. Windkraft liefert noch geringen Output; Biomasse beginnt man eben in kommunalen Einrichtungen sowie in den Kohlekraftwerken einzusetzen. Der Anteil der Erneuerbaren an der Primärenergie liegt in Tschechien bei 2 %, am gesamten Energieverbrauch bei 3,5 %. Ein Wert, den die Tschechen bis 2010 auf 8 % anheben wollen. Bis 2050 kalkulieren sie damit, immerhin 30 % der Primärenergien aus Erneuerbaren zu beziehen. Was auch ein Job-Argument wäre: Auf der Roadmap zu diesem Ziel stehen 59.000 neue Stellen bis 2030.

„Aktuell“, so Holub, „verharrt man noch in der Demonstrations-Ära.“ Denn schon mehr als ein Jahr lang wird im Prager Parlament das entsprechende Gesetz zu den Erneuerbaren verschleppt – erst im Frühjahr 2005 sollte es für 15 Jahre garantierte Ökostrompreise und damit die notwendige Sicherheit für langfristige Investments geben. Allerdings: Abnahmegarantien für den Ökostrom – wie etwa in Österreich – wird es in Tschechien nicht geben.

Die Slowakei hat aufgrund der geplanten Abschaltung des Atomkraftwerkes Bohunice in den nächsten drei bis fünf Jahren besondere Herausforderungen zu meistern. Nicht genug, dass generell 90 % aller Energiequellen importiert werden müssen, wächst nun der Strombedarf durch die angelockte Automobilindustrie – Peugeot Citroen in Trnava und KIA Motors bei Zilina – rapide an. Trotzdem ist die Motivation in der Slowakei, in Erneuerbare zu investieren, gering.

Derzeit ist es vor allem die Donau, welche zu den 15,5 TWh Wasserkraftstrom jährlich beiträgt. Weitere Potenziale ortet Juraj Kopcak vom European Technological Centre in Presov vor allem in Biomasse, Solarenergie und Geothermie, wenngleich in bescheidenem Rahmen. Vor allem die Holzindustrie würde jährlich 1.265 Mio. t ungenutzte Biomasse generieren – ein Potenzial von 35 Petajoule, wovon erst neun genutzt werden. Geothermie spielt aktuell im Tourismus und für die Beheizung von Glashäusern eine größere Rolle. Insgesamt soll 2010 der Anteil der Erneuerbaren in der Slowakei bei 20 % liegen. Dazu sollen nun die Unternehmen angehalten werden, vermehrt Erneuerbare einzusetzen. Einen verbindlichen Rechtsrahmen dafür gibt es aber ebenso wenig wie es Geld gibt.

Slowenien hat indessen die Förderungen der Erneuerbaren auf jährlich 58 Mio. Euro erhöht. Als ein Land, das massiv auf Energieimporte angewiesen ist, forciert es entsprechend stärker die mögliche Nutzung eigener Ressourcen. Vor allem Holz – Slowenien ist nach Schweden das waldreichste Land Europas. Auch Ungarn will bis 2010 den Einsatz der Erneuerbaren auf 72 Petajoule verdoppeln. Und zwar vorwiegend mit Biomasse.

Und auch in den baltischen Staaten gibt es reichlich Wald. Und lange Küsten: Alleine in Estland sind es 3794 km (2450 davon auf Inseln), die intensiv für die Windkraft genutzt werden könnten. Aufgrund reichlichem Vorkommen von Ölschiefer spielen Erneuerbare aber eine noch marginale Rolle: Sie tragen mit 0,2 % zur Energiebedarfsdeckung bei. Anders in Lettland, wo Wasserkraft 75 % des Strombedarfs abdeckt und zudem Windkraft für immerhin 24 MW sorgt. Biomasse, Stroh und Biogas werden hier ebenso stark gefördert und genutzt. Litauen schließlich ist jenes Land auf Erden mit der größten Abhängigkeit von Atomenergie – Energie, die von einem einzigen AKW (Ignalina) geliefert wird. Eine Abhängigkeit, die schon 2005 mit der Schließung der ersten beiden Reaktoren verändert werden wird. Biomasse und Windkraft sollen die Lücke schließen. 

Freitag, 1.11.2024, 22:56 Uhr
Markus Zwettler

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