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Deutschlandweit haben Stromkunden Schreiben erhalten, wonach schon bald Schluss ist mit der Versorgung. Die Post kommt von mehreren Anbietern.
Die entsprechenden Anbieter haben einiges gemein. Auf ihren Webseiten findet sich der Hinweis (Stand: 11. Oktober), dass sie aufgrund einer technischen Störung aus dem O2- und dem Vodafone-Netz nicht erreichbar seien. Sie arbeiten alle mit der gleichen Servicegesellschaft zusammen. Und sie alle haben Kunden mitgeteilt, dass sie bald Stromlieferungen einstellen.
Die Website „Verbraucherhilfe Stromanbieter“ listet aktuell die Lieferstopp-Ankündigungen von vier Anbietern. Es handelt sich um die sogenannte Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH, sie vertreibt die Marken „Immergrün“ und „Meisterstrom“ und "Ideal". Das Unternehmen ist Nachfolger der 365 AG, der wiederum die Almado AG voranging. Hinzu gesellt sich „Wunderwerk“, eine Marke der „Elektrizitätswerke Düsseldorf AG“. Des Weiteren aufgeführt sind die Strogon GmbH und „Fuxx – die Sparenergie GmbH".
Mehr als einhundert Stromkunden haben sich bei Matthias Moeschler inzwischen gemeldet, er betreibt die Verbraucherwebsite. „Es ist kein regionales Phänomen, Kunden in ganz Deutschland sind betroffen“, sagt er. „Überraschend für mich ist jedoch, dass nicht nur Bonushopper – Kunden, die jährlich den Stromanbieter wechseln – gekündigt wurden, sondern auch Kunden, die gerade erst verlängert haben.“
Die Schreiben, die sie erhalten haben, ähneln sich. „Wir möchten Sie hiermit informieren, dass wir mit Wirkung zum 19.10.2021, 24 Uhr, in Ihrem Gebiet die Versorgung mit Strom einstellen werden“, kündigt etwa das „Immergrün-Team“ an. Fuxx teilt mit, dass man „vorübergehend“ die Versorgung mit Strom mit Ablauf des 20.10.2021 beenden werde. Wunderwerk spricht von einer „Zeitlang“, die man keinen Strom liefere.
Warum die Anbieter sich lossagen, ist nicht zu erfahren. Keiner der war telefonisch für eine Stellungnahme zu erreichen. Auch die Anfrage per E-Mail-Anfrage blieb unbeantwortet.
„Meines Wissens nach werden die Kunden dieser vier Anbieter über eine gemeinsame Service-Gesellschaft betreut“, sagt Moeschler und nennt eine Adresse in Köln, die Gesellschaft für Messdienstleistungen (GfM). Die Mitarbeiterin, die sich am Telefon meldet, kennt die Namen Immergrün, Meisterstrom, Strogon und Wunderwerk und sagt, dass eine Zusammenarbeit mit diesen Anbietern bestehe. Weitere Fragen mögen man bitte in eine E-Mail stellen. Auch diese E-Mail blieb ohne Antwort.
Bundesnetzagentur gefordert
Auch bei der Bundesnetzangentur wartet man offenbar noch auf Nachricht: Grundsätzlich stehe es Energielieferanten frei, das Geschäftsfeld der Energiebelieferung zu verlassen. Energielieferanten müssen bei der Bundesnetzagentur anzeigen, sofern die Geschäftstätigkeit der Energiebelieferung vollständig beendet wird, heißt es. „Der Bundesnetzagentur liegt eine Anzeige der Beendigung der Belieferung der Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft mbH bisher nicht vor“, teilt die Behörde mit.
Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen spricht von einer „außerordentlichen“ Vorgehensweise der Stromanbieter. Und er bezweifelt, dass die Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen gegeben ist. Ob plötzliche Beendigung der Lieferung oder außerordentliche Vertragskündigung – die Voraussetzungen dafür seien hoch, erklärt der Rechtsexperte. Der Anstieg der Beschaffungsspreise für Strom rechtfertige diesen Schritt nicht. „Eine außergewöhnliche Marktentwicklung ist kein Meteoriteneinschlag oder anderes außergewöhnliches Ereignis.“
Schneidewind sieht sie Bundesnetzagentur als Verbraucherschutzbehörde gefordert. Doch die habe „keine Schwerter, die sie ziehen kann“. Selbst wenn sie wollte, „sie könnte gar nicht in den Krieg ziehen“. Er erinnert an die Insolvenzfälle Teldafax, Flexstrom und Bayerische Energieversorgungsgesellschaft. Als Vorbild in Europa dienen könnte seiner Meinung nach England. Die Aufsichtsbehörde dort gehe „viel schärfer am Markt vor“. Auch in den USA würde die Behörden wesentlich konsequenter Verbraucher schützen.
Extremer Preisdruck
Stark zu schaffen macht der Branche freilich der Strombeschaffungspreis. Der Börsenstrompreis liegt deutlich höher als vor einem Jahr. Im Oktober kostet eine Megawattstunde laut dem Vergleichsportal Check 24 153,40 Euro – bis dato – und damit mehr als im September (127,28 Euro/MWh). Im Oktober des Vorjahres wurden nur 33,64 Euro fällig – ein Plus von 356 Prozent. 14 Grundversorger haben laut dem Portal bereits Strompreise erhöht oder Erhöhungen angekündigt. Im Durchschnitt machten die Preiserhöhungen 8,9 Prozent aus. Betroffen seien rund 420.000 Haushalte.
Montag, 11.10.2021, 16:50 Uhr
Manfred Fischer
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