Robert Seehawer (links) und Matthias Janssen bei der Vorstellung der Kurzstudie. Quelle: Davina Spohn
Offshore produzierter Wasserstoff kann die Systemkosten der Energiewende deutlich senken. Eine Studie von Frontier Economics zeigt Einsparungen von bis zu 1,7 Milliarden Euro pro Jahr.
„Harten Tobak, aber dafür robuste Fakten“ liefern die Ergebnisse der Kurzstudie, wie Robert Seehawer, Geschäftsführer der Initiative Aquaventus, am 12.
November in Berlin erklärte. Die Initiative hatte die Untersuchung bei dem Beratungsunternehmen Frontier Economics mit Sitz in London in Auftrag gegeben. Die Studie zeige, dass auf hoher See produzierter Wasserstoff die Systemkosten der Energiewende deutlich senken kann.
Matthias Janssen von
Frontier Economics erläuterte, für die Studie seien drei Szenarien für den Ausbau der Offshore-Windenergie in der deutschen Nordsee bis 2045 herangezogen worden: das bisherige Anschlussmodell, eine Variante mit sogenanntem „Overplanting“ – also einer höheren Turbinenleistung als Netzkapazität – sowie ein Konzept der Sektorenkopplung, bei dem Offshore-Elektrolyseure und Wasserstoff-Pipelines die Stromkabel ergänzen. Letztes Szenario, die Offshore-Sektorenkopplung, ermögliche Kosteneinsparungen von bis zu 1,7
Milliarden Euro pro Jahr in den Zonen 4 und 5 der Nordsee, ist in der 34-seitigen Studie nachzulesen.
Zone 4 liegt nordwestlich von Helgoland und grenzt an dänische Gewässer. Sie gilt als besonders windstark, ist jedoch mehr als 100
Kilometer von der Küste entfernt. Zone
5 schließt westlich daran an und reicht fast bis zur Grenze der niederländischen AWZ. Sie zählt zu den entferntesten Offshorewind-Gebieten Deutschlands.
Größere Energiemengen transportierbar durch H2-Pipelines Ergeben würde sich dieses Einsparpotenzial dadurch, dass weniger Stromkabel installiert werden müssen und eine Wasserstoff-Pipeline größere Energiemengen über lange Distanzen günstiger transportieren kann als Seekabel. Zwar ist Offshore-Elektrolyse teurer als die Produktion an Land, doch die geringeren Transportkosten durch die Pipeline und die bessere Netzauslastung überwiegen. Dadurch lasse sich die Windleistung auf See flexibler nutzen.
„Die parallele Infrastruktur für Strom und Wasserstoff ermöglicht eine systemdienliche Nutzung der Offshore-Windenergie“, schreiben die Autoren der Studie. In Zeiten hoher Strompreise werde Elektrizität bevorzugt ans Festland geliefert, bei niedrigen Preisen hingegen zu Wasserstoff verarbeitet und über die Pipelines transportiert.
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Kurzstudie „Efficient integration of mixed connection concepts for offshore wind and hydrogen production“ (zum Öffnen bitte auf das PDF klicken) Quelle: Frontier Economics |
Konkret steigert die Offshore-Sektorenkopplung laut Frontier Economics die Netzauslastung von 52 auf 65
Prozent und senkt die Abregelungsverluste von 14 auf 11
Prozent. Damit werden in der 70.000-MW-Ausbaustufe bis 2045 rund 2,5 Milliarden
kWh mehr Energie pro Jahr ins System eingespeist als bei einem reinen Stromanschluss. Dieser zusätzliche Energieeintrag entspricht dem jährlichen Verbrauch von rund 800.000 Haushalten.
Auch bei einem konservativeren Szenario mit 55.000
MW Offshore-Leistung bis 2045 bleibe der Effekt signifikant: Die Einsparung liege dort noch bei rund 0,5
Milliarden Euro jährlich. Frontier Economics führt das auf die geringeren Netzinvestitionen und die höhere Energieausbeute zurück.
Seehawer und Janssen betonten die Robustheit der Studienergebnisse: Selbst bei doppelt so hohen Kosten für Offshore-Elektrolyseure bleibe das Konzept der Sektorenkopplung die wirtschaftlichste Lösung. Auch unterschiedliche Strompreise oder variierende Elektrolysekapazitäten würden daran nichts ändern. Die Initiative sieht die Verbindung von Strom- und Wasserstoffnetzen daher als entscheidenden Schritt, um die Offshore-Windpotenziale in den entfernten Gebieten der Nordsee effizient zu nutzen.
Gesetzliche Grundlage fehltNeben der technischen Analyse enthält die Studie auch Empfehlungen für die Politik. Damit sich das Modell wirtschaftlich umsetzen lasse, müsse das Bundesrecht angepasst werden. Deutschland sei derzeit das einzige Nordsee-Anrainerland, das hybride Anschlusskonzepte gesetzlich ausschließe, monierte Seehawer. Laut der Studie könnte eine Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) diese Lücke ohne großen Aufwand schließen. Dieses dürfte wegen der im Juni geplatzten Ausschreibung von Offshorewind-Flächen ohnehin novelliert werden.
Auch die Offshore-Fläche SEN-1 solle zügig ausgeschrieben und von Beginn an für kombinierte Strom- und Wasserstoff-Anschlüsse geöffnet werden.
Jörg Singer zeigte sich überzeugt: „Die wahren Kostentreiber des Wasserstoff-Hochlaufs liegen in der Regulierung“. Laut dem Vorsitzenden von Aquaventus könne eine integrierte Energieinfrastruktur die Abhängigkeit von Importen verringern und die Innovationskraft der deutschen Industrie stärken.
Die Studie
„Efficient integration of mixed connection concepts for offshore wind and hydrogen production“ kann über die Internetseite von Aquaventus angefordert werden.
Mittwoch, 12.11.2025, 15:44 Uhr
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