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Sachverständige im Bundestag forderten bei zwei Anhörungen weitergehende Entlastungen bei Netzentgelten und Stromsteuer, um Verbraucher und Unternehmen zu entlasten.
In zwei öffentlichen Anhörungen im Bundestag haben Fachleute am 3. November die geplanten Entlastungen der Bundesregierung bei Strompreisen bewertet. Der Wirtschaftsausschuss befasste sich mit dem Entwurf eines Gesetzes für einen Zuschuss zu den Übertragungsnetzkosten in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Parallel diskutierte der Finanzausschuss die geplante Fortsetzung der Stromsteuerermäßigung für Industrie und Landwirtschaft.
Ziel der Zuschussregelung ist es, die Belastung der Stromkunden durch die stark gestiegenen Übertragungsnetzentgelte im Jahr 2026 zu senken. Laut Entwurf sollen die Übertragungsnetzbetreiber einen einmaligen Zuschuss erhalten, um die Netzentgelte zu dämpfen.
Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), begrüßte den Ansatz der Bundesregierung, forderte zugleich eine längerfristige Planungssicherheit: „Um Investitionsentscheidungen zu erleichtern, sollte der Zuschuss für mehrere Jahre verbindlich eingeplant werden.“ Andreae betonte, dass die Entlastung regional unterschiedlich ausfallen werde, da sie von der Struktur der jeweiligen Verteilnetze abhänge.
Hohe Stromkosten gefährden Industriestandort
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) unterstützte die Maßnahme. Vertreter Carsten Rolle erklärte, der Zuschuss könne durchschnittliche Industriekunden um bis zu 57 Prozent entlasten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mahnte, die hohen Stromkosten gefährdeten Wettbewerbsfähigkeit und Elektrifizierungsziele. DGB-Vertreter Felix Fleckenstein sagte, der Zuschuss könne „schnell wirken und sämtliche Stromverbrauchergruppen effektiv entlasten“.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl sprach von einer „dringenden und überfälligen Entlastung“. Hauptgeschäftsführerin Kerstin Maria Rippel verwies darauf, dass die Branche seit 2023 mit einer Kostensteigerung von 130 Prozent bei den Übertragungsnetzentgelten konfrontiert sei. Sie forderte eine Verstetigung der Maßnahme und einen rechtssicheren Mechanismus zur Begrenzung der Netzentgelte.
Auch Netzbetreiber und Energieversorger begrüßten den Regierungsentwurf. Stefan Kapferer, Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz, bezeichnete das Gesetz als geeignet, um Kosten zu senken, wies aber darauf hin, dass vor allem direkt an die Übertragungsnetze angeschlossene Kunden profitieren würden. Justin Müller von der EWE sprach von einem „wichtigen Signal“, um die Akzeptanz der Energiewende zu stärken, mahnte aber, weitere strukturelle Schritte wie mehr Freileitungen statt Erdverkabelung seien notwendig.
Kritischer äußerte sich Janek Steitz vom Dezernat Zukunft. Der Zuschuss sei zwar „pragmatisch und sinnvoll“, löse aber keine strukturellen Probleme des Strommarkts. Diese müssten prioritär angegangen werden.
Stromsteuer für alle senken?
Parallel dazu befasste sich der Finanzausschuss mit der Stromsteuer. Die Bundesregierung will die bereits beschlossene Absenkung des Stromsteuersatzes auf das EU-Mindestniveau für das Produzierende Gewerbe sowie die Land- und Forstwirtschaft fortführen. Ohne neue gesetzliche Regelung würde die Entlastung Anfang 2026 auslaufen.
Unterstützung für die Regierungspläne kam aus Industrie und Landwirtschaft. Karoline Kampermann vom Verband der Automobilindustrie begrüßte die Entfristung der Stromsteuerermäßigung für Unternehmen, mahnte aber weitergehende steuerliche Entlastungen zur Stärkung des Elektromobilitätsstandorts Deutschland an. Der Deutsche Raiffeisenverband forderte eine Gleichstellung des Agrarhandels mit der Landwirtschaft, da dieser zunehmend ähnliche Aufgaben übernehme.
Mehrere Sachverständige kritisierten jedoch, dass private Haushalte und nicht-produzierende Betriebe ausgenommen sind. Mareike Drexler-Röckendorf vom Zentralverband des Deutschen Handwerks sprach von einem „falschen Signal“ und bemängelte die Verschiebung der im Koalitionsvertrag angekündigten allgemeinen Stromsteuersenkung. Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband forderte eine Ausweitung der Maßnahme: Bei einer Senkung auf den europäischen Mindestsatz könnten Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh rund 83 Euro sparen, rechnete Florian Munder vor.
Professor Michael Rutemöller von der Ostfalia Hochschule bezeichnete die Entfristung der Steuerentlastung als „dringend benötigte Rechtssicherheit“. Dagegen warnte Sandra Rostek vom Hauptstadtbüro Bioenergie vor einer geplanten Einschränkung des Begriffs „erneuerbare Energieträger“, die Biomasse ausschließen würde. Dies widerspreche dem Unionsrecht und gefährde die Energiewende im ländlichen Raum. Die Beratungen zu beiden Gesetzentwürfen sollen in den kommenden Wochen fortgesetzt werden.
Dienstag, 4.11.2025, 13:29 Uhr
Susanne Harmsen
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