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Der Bundesrechnungshof sieht erhebliche Risiken beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Trotz Milliardenförderung drohten Dauerhilfen und Belastungen für den Bundeshaushalt.
Der Bundesrechnungshof warnt vor milliardenschweren Risiken für den Bundeshaushalt beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. In einem Sonderbericht zur Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie bemängelt die Behörde erhebliche Verzögerungen und fehlende Zielerreichung. Die Bundesregierung verfehle trotz milliardenschwerer Förderprogramme ihre eigenen Vorgaben und riskiere eine dauerhafte Subventionierung des Energieträgers, heißt es in dem am 28. Oktober veröffentlichten Bericht.
„Trotz milliardenschwerer Förderungen verfehlt die Bundesregierung ihre ambitionierten Ziele beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft“, erklärte Rechnungshofpräsident Kay Scheller. Das gefährde sowohl das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 als auch die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Nach Berechnungen des Rechnungshofs hat der Bund allein in den Jahren 2024 und 2025 mehr als sieben Milliarden Euro, vor allem für Unternehmenssubventionen, bereitgestellt.
Weitere Vorbindungen in Milliardenhöhe bestehen bis Ende des Jahrzehnts. Auch beim Aufbau des geplanten Wasserstoff-Kernnetzes drohen demnach erhebliche Belastungen. Das Netz soll über ein staatlich abgesichertes Amortisationskonto finanziert werden, weil in den ersten Jahren nur wenige Abnehmer erwartet werden. Sollte der Markthochlauf scheitern, könne der Mechanismus den Bundeshaushalt um einen zweistelligen Milliardenbetrag zusätzlich belasten.
Realitätscheck empfohlenDer Bericht stellt fest, dass sich Angebot und Nachfrage nach grünem Wasserstoff bislang deutlich langsamer entwickeln als geplant. Die Bundesregierung werde weder die inländischen Erzeugungsziele erreichen, noch den erwarteten Bedarf über Importe decken können. Auch die Nachfrage aus der Industrie, etwa aus der Stahlbranche, bleibe hinter den Erwartungen zurück. Zudem fehlten verbindliche Vorgaben zur Umrüstung neuer Gaskraftwerke auf Wasserstoff, die als wichtiger Nachfrageimpuls gelten.
Grüner Wasserstoff bleibe auf absehbare Zeit deutlich teurer als fossile Energieträger wie Erdgas, so die Prüfer. Damit sei eine staatliche Dauerförderung wahrscheinlich. Für den Ausgleich der Preisdifferenz zwischen Wasserstoff und Erdgas könnten allein 2030 Belastungen zwischen drei und 25 Milliarden Euro entstehen. Der Rechnungshof mahnt daher eine grundlegende Überprüfung der bisherigen Strategie an. Die Bundesregierung müsse ihre Annahmen realistisch bewerten und sicherstellen, dass Angebot, Nachfrage und Infrastruktur künftig besser aufeinander abgestimmt seien.
Neben finanziellen Risiken sieht der Bericht auch ökologische Unsicherheiten. Da die Bundesregierung mindestens die Hälfte des Wasserstoffbedarfs über Importe decken will, könnten bei der Erzeugung im Ausland erhebliche Vorkettenemissionen entstehen. Zudem habe die Bundesregierung bei internationalen Ausschreibungen Nachhaltigkeitsanforderungen abgeschwächt, um genügend Angebote zu erhalten.
Der Rechnungshof empfiehlt, die Wasserstoffstrategie einem „Realitätscheck“ zu unterziehen. Dabei müsse die Bundesregierung klären, ob und wann grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen, zu wettbewerbsfähigen Preisen und klimaneutral verfügbar sein könne. Gegebenenfalls solle ein Plan
B entwickelt werden, um die Klimaneutralität bis 2045 auch ohne dauerhafte Subventionen zu erreichen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) habe laut Bericht selbst erkannt, dass es seine Maßnahmen anpassen müsse. Es halte die geplanten Schritte aber nicht für ausreichend, um den Wasserstoff wettbewerbsfähig zu machen.
Erneuerbaren Branche betont H2-PotenzialKritik an der Bewertung des Rechnungshofs kam vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Dessen Präsidentin Ursula Heinen-Esser bezeichnete grünen Wasserstoff als „Zukunftsinvestition in Klimaschutz, wirtschaftliche Stärke und Versorgungssicherheit“. Eine heimische Wasserstoffwirtschaft schaffe Arbeitsplätze, stärke die Unabhängigkeit von Energieimporten und erhöhe die Systemstabilität.
Der BEE widersprach der Einschätzung, dass grüner Wasserstoff dauerhaft teuer bleiben werde. Studien zeigten erhebliche Kostensenkungspotenziale, betonte Heinen-Esser. Die derzeitigen hohen Preise seien Folge einer geringen Produktionsmenge.
Nur durch politische Rahmenbedingungen wie Leitmärkte oder H2-ready-Ausschreibungen könne der Hochlauf gelingen. „Die jetzt investierten Mittel sind kein Risiko, sondern eine Rendite für die Zukunft“, so Heinen-Esser.
Der
Sonderbericht Wasserstoff des Bundesrechnungshofs richtet sich an Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung.
Mittwoch, 29.10.2025, 14:48 Uhr
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