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Energie & Management > Gastbeitrag - „Energiewende braucht mehr Markt und Technologieoffenheit“
Quelle: E&M
Gastbeitrag

„Energiewende braucht mehr Markt und Technologieoffenheit“

Für mehr Kosteneffizienz beim Klimaschutz plädiert *Constantin Alsheimer, Vorsitzender des Vorstandes der Thüga AG.
Niemand kann vorhersagen, wie unsere Welt im Jahr 2045 aussehen wird. Bereits der Blick in die nähere Zukunft ist ungewiss. Was wir heute jedoch wissen: Der Klimawandel schreitet rasch voran, gefährdet unsere Lebensgrundlage und erfordert auch den raschen Umbau unseres Energiesystems auf Klimaneutralität.
Die Energiewende wird viel Geld kosten. Angesichts begrenzter Mittel sollten wir daher möglichst kosteneffizient vorgehen. Niedrige Kosten sind entscheidend für die Akzeptanz der Energiewende und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes.

Unser System der sozialen Marktwirtschaft hat sich bei der Suche nach günstigen Lösungen bewährt, indem es auf Preiswettbewerb und Eigenverantwortung setzt. Ergänzt wird dies im Energiesektor durch die staatliche Rahmenbedingung, externe Kosten mittels des Emissionshandels im Preis zu internalisieren, um so über den Markt Klimaneutralität erreichen zu können.

Ein Teil unserer künftigen Versorgung wird strombasiert über einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze erfolgen. Strombasierte Lösungen nehmen bereits jetzt einen immer größeren Raum ein.

Daneben – und mittlerweile kaum mehr fundamental bestritten – werden aus physikalischen und wirtschaftlichen Gründen grüne Moleküle über transformierte Gasnetze den anderen Teil der Versorgung abdecken müssen. Welches Verhältnis sich hier genau einstellen wird, ist heute nicht vorhersehbar und wird maßgeblich von den zukünftigen Preisen und Verfügbarkeiten abhängen.

Daher lohnt ein Blick in die sich wandelnden Energiepreisprognosen: Konzentrieren sich ältere Prognosen vor allem auf einen Direktvergleich zwischen der inländischen Strom- sowie der inländischen Wasserstofferzeugung, fassen jüngere Studien zunehmend auch Importoptionen in den Blick und weiten ihre Analysen auf die systemischen Folgekosten aus.
 
 
Elektrifizierungsannahmen haben sich überholt

Frühere Prognosen, wonach eine Elektrifizierung von Industrie-, Verkehrs- und Gebäudesektor volkswirtschaftlich zu präferieren sei und der Zubau erneuerbarer Energien die Endkundenpreise nach unten treibe, sind mittlerweile brüchig. Die Annahme, dass Wasserstoff der Champagner der Energiewirtschaft sei, also knapp und extrem teuer, könnte der Erkenntnis weichen, es handele sich eher um Mineralwasser, also weit weniger knapp und preislich moderater.

Hinsichtlich der Strompreise dagegen berücksichtigen jüngere Studien den für die Elektrifizierung von Industrie-, Verkehrs- und Gebäudesektor sowie für den Zubau erneuerbarer Energien erforderlichen Netzausbau, der sich in einer Vervielfachung der Stromnetzentgelte und damit einem Anstieg des Haushaltsstrompreises niederschlägt – eine aktuelle McKinsey-Studie hält dabei sogar einen Anstieg auf bis zu 49 ct pro kWh Strom im Jahr 2035 für möglich.

Beim Wasserstoffpreis weisen zahlreiche Studien zugleich weitaus geringere Kundenpreise aus, als noch vor einigen Jahren angenommen. Schon für das Jahr 2035 werden die Erzeugungskosten für grünen Wasserstoff im Schnitt zwischen 7 Cent/kWh für blauen beziehungsweise 11 Cent/kWh prognostiziert, sodass Kundenpreise von 13 Cent/kWh und 17 Cent/kWh durchaus denkbar sind.
Diese Prognosen bezogen auf den Wärmesektor und unter der gängigen Annahme, dass eine Wärmepumpe aus einem Teil Strom drei Teile Wärme erzeugt, sind wasserstoffbasierte Heizungslösungen im Direktvergleich für Kunden bereits aus heutiger Sicht konkurrenzfähig, zumal deren Anschaffungspreise signifikant niedriger liegen.

Keine „One size fits all“ bei der Wärme

Auch Nah- und Fernwärmelösungen sowie Heizungen auf Basis von Biomasse befinden sich in einem vergleichbaren Preisband. Anders ausgedrückt, es gibt keinen klaren Preis-Favoriten beim Heizen und kein „One size fits all“ im heterogenen Gebäudesektor.

Welche technologischen Lösungen bei der Energiewende und der Wärmewende im Besonderen zum Einsatz kommen werden, sollte daher nicht durch staatliche Proklamation vorweggenommen, sondern ausgehend von den jeweils vor Ort gegebenen Voraussetzungen und im Zuge der jeweiligen kommunalen Wärmeplanung und entsprechenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen individuell geklärt werden.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass Energiepreise nicht isoliert auftreten, sondern stets nur gemeinsam mit den systemischen Folgekosten, den staatlich induzierten Preisbestandteilen sowie den auf Kundenseite anfallenden Investitions- und Betriebskosten betrachtet werden müssen.

Ein ausgewogener Mix an Energieträgern, Infrastruktur und Endanwendungen steigert zudem die Resilienz des deutschen Energiesystems gegenüber Störungen und physischen Angriffen. Nur wenn Wirtschaftlichkeit, technologische Vielfalt und Versorgungssicherheit gemeinsam gedacht werden, wird die Energiewende gelingen.

*Constantin H. Alsheimer ist seit Januar 2024 Vorsitzender des Vorstandes der Thüga Aktiengesellschaft in München.
 
Constantin Alsheimer
Quelle: Thüga

Montag, 2.09.2024, 13:59 Uhr
Redaktion
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„Energiewende braucht mehr Markt und Technologieoffenheit“
Für mehr Kosteneffizienz beim Klimaschutz plädiert *Constantin Alsheimer, Vorsitzender des Vorstandes der Thüga AG.
Niemand kann vorhersagen, wie unsere Welt im Jahr 2045 aussehen wird. Bereits der Blick in die nähere Zukunft ist ungewiss. Was wir heute jedoch wissen: Der Klimawandel schreitet rasch voran, gefährdet unsere Lebensgrundlage und erfordert auch den raschen Umbau unseres Energiesystems auf Klimaneutralität.
Die Energiewende wird viel Geld kosten. Angesichts begrenzter Mittel sollten wir daher möglichst kosteneffizient vorgehen. Niedrige Kosten sind entscheidend für die Akzeptanz der Energiewende und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes.

Unser System der sozialen Marktwirtschaft hat sich bei der Suche nach günstigen Lösungen bewährt, indem es auf Preiswettbewerb und Eigenverantwortung setzt. Ergänzt wird dies im Energiesektor durch die staatliche Rahmenbedingung, externe Kosten mittels des Emissionshandels im Preis zu internalisieren, um so über den Markt Klimaneutralität erreichen zu können.

Ein Teil unserer künftigen Versorgung wird strombasiert über einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze erfolgen. Strombasierte Lösungen nehmen bereits jetzt einen immer größeren Raum ein.

Daneben – und mittlerweile kaum mehr fundamental bestritten – werden aus physikalischen und wirtschaftlichen Gründen grüne Moleküle über transformierte Gasnetze den anderen Teil der Versorgung abdecken müssen. Welches Verhältnis sich hier genau einstellen wird, ist heute nicht vorhersehbar und wird maßgeblich von den zukünftigen Preisen und Verfügbarkeiten abhängen.

Daher lohnt ein Blick in die sich wandelnden Energiepreisprognosen: Konzentrieren sich ältere Prognosen vor allem auf einen Direktvergleich zwischen der inländischen Strom- sowie der inländischen Wasserstofferzeugung, fassen jüngere Studien zunehmend auch Importoptionen in den Blick und weiten ihre Analysen auf die systemischen Folgekosten aus.
 
 
Elektrifizierungsannahmen haben sich überholt

Frühere Prognosen, wonach eine Elektrifizierung von Industrie-, Verkehrs- und Gebäudesektor volkswirtschaftlich zu präferieren sei und der Zubau erneuerbarer Energien die Endkundenpreise nach unten treibe, sind mittlerweile brüchig. Die Annahme, dass Wasserstoff der Champagner der Energiewirtschaft sei, also knapp und extrem teuer, könnte der Erkenntnis weichen, es handele sich eher um Mineralwasser, also weit weniger knapp und preislich moderater.

Hinsichtlich der Strompreise dagegen berücksichtigen jüngere Studien den für die Elektrifizierung von Industrie-, Verkehrs- und Gebäudesektor sowie für den Zubau erneuerbarer Energien erforderlichen Netzausbau, der sich in einer Vervielfachung der Stromnetzentgelte und damit einem Anstieg des Haushaltsstrompreises niederschlägt – eine aktuelle McKinsey-Studie hält dabei sogar einen Anstieg auf bis zu 49 ct pro kWh Strom im Jahr 2035 für möglich.

Beim Wasserstoffpreis weisen zahlreiche Studien zugleich weitaus geringere Kundenpreise aus, als noch vor einigen Jahren angenommen. Schon für das Jahr 2035 werden die Erzeugungskosten für grünen Wasserstoff im Schnitt zwischen 7 Cent/kWh für blauen beziehungsweise 11 Cent/kWh prognostiziert, sodass Kundenpreise von 13 Cent/kWh und 17 Cent/kWh durchaus denkbar sind.
Diese Prognosen bezogen auf den Wärmesektor und unter der gängigen Annahme, dass eine Wärmepumpe aus einem Teil Strom drei Teile Wärme erzeugt, sind wasserstoffbasierte Heizungslösungen im Direktvergleich für Kunden bereits aus heutiger Sicht konkurrenzfähig, zumal deren Anschaffungspreise signifikant niedriger liegen.

Keine „One size fits all“ bei der Wärme

Auch Nah- und Fernwärmelösungen sowie Heizungen auf Basis von Biomasse befinden sich in einem vergleichbaren Preisband. Anders ausgedrückt, es gibt keinen klaren Preis-Favoriten beim Heizen und kein „One size fits all“ im heterogenen Gebäudesektor.

Welche technologischen Lösungen bei der Energiewende und der Wärmewende im Besonderen zum Einsatz kommen werden, sollte daher nicht durch staatliche Proklamation vorweggenommen, sondern ausgehend von den jeweils vor Ort gegebenen Voraussetzungen und im Zuge der jeweiligen kommunalen Wärmeplanung und entsprechenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen individuell geklärt werden.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass Energiepreise nicht isoliert auftreten, sondern stets nur gemeinsam mit den systemischen Folgekosten, den staatlich induzierten Preisbestandteilen sowie den auf Kundenseite anfallenden Investitions- und Betriebskosten betrachtet werden müssen.

Ein ausgewogener Mix an Energieträgern, Infrastruktur und Endanwendungen steigert zudem die Resilienz des deutschen Energiesystems gegenüber Störungen und physischen Angriffen. Nur wenn Wirtschaftlichkeit, technologische Vielfalt und Versorgungssicherheit gemeinsam gedacht werden, wird die Energiewende gelingen.

*Constantin H. Alsheimer ist seit Januar 2024 Vorsitzender des Vorstandes der Thüga Aktiengesellschaft in München.
 
Constantin Alsheimer
Quelle: Thüga

Montag, 2.09.2024, 13:59 Uhr
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