Alle reden von hohen Kosten für das klimafreundliche Energiesystem. Wir unternehmen den Versuch einer Gesamtrechnung.
Für die Energiewende benötigt Deutschland zunächst mal erneuerbare Quellen. Für Anlagen zur Erzeugung von Strom, beispielsweise aus Photovoltaik, Wind oder Biomasse, gibt es die Förderung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Diese zahlt seit Mitte 2022 der Staat, was sich als teures Geschäft erweist. 2024 mussten 18,4 Milliarden Euro aufs EEG-Konto eingezahlt werden, für 2025 rechnet man mit 17 Milliarden Euro.
Aktuell werden Anlagen öfter zwangsabgeschaltet werden, weil ihr Strom nicht abtransportiert werden kann. Zudem müssen im Süden Deutschlands für die Stromversorgung öfter fossile Kraftwerke einspringen. Diese sogenannten Redispatchkosten betrugen 3,2 Milliarden Euro 2023 und werden in diesem Jahr kaum geringer sein. Für die neuen Kraftwerke, die als Backup der erneuerbaren Anlagen dienen sollen, sind laut Kraftwerkssicherungsgesetz (KWSG) etwa 18 Milliarden Euro veranschlagt.
Investitionen in Stromnetze
Der nächste Kostenfaktor: dem Ausbau der Netze. Die Übertragungsnetzbetreiber für Strom rechnen in der Höchstspannung allein bis 2025 mit 32 Milliarden Euro, in den darunterliegenden Verteilnetzen werden 23 Milliarden Euro veranschlagt. Denn in diesem Netzbereich schließen sich die meisten erneuerbaren Erzeuger und Abnehmer an, vom Windpark und PV-Dach bis zur Wärmepumpe oder der Ladestelle fürs Elektroauto.
Smart Meter als Schlüssel
Alles steht und fällt mit der Messung und Regelung dieser Prosumer. Das geht nicht ohne Smart Meter Rollout, der seit Jahren eher stockt als läuft. Er ist auch nötig, damit Versorger ihren Kunden variable Tarife anbieten können, was ab 2025 Pflicht ist. Die Hoffnung ist, dass Kunden ihren Verbrauch dann nach den stündlichen Strompreisen richten und nicht gerade dann das Elektroauto laden, wenn das Stromsystem angespannt ist und die Preise hoch sind.
Die Kosten für die Smart Meter sind allerdings bislang gedeckelt, in der Haushaltskundschaft auf 30 Euro für den Einbau. Da das nicht die Kosten der Netzbetreiber deckt, wird erwogen, die Pauschale ab 2025 auf 100 Euro für den Einbau und auf 30 Euro jährlich für den Betrieb zu erhöhen. Ob dann noch Haushaltskunden freiwillig mitmachen, sei aber fraglich, sagen Verbraucherschützer.
Gase und Pipelines
Zwei Drittel des Energiebedarfs Deutschlands entstehen ja im Wärmebereich. Hier hat die Bundesregierung für Einnahmen gesorgt. Rund 8 Milliarden Euro kamen 2023 über die Brennstoffsteuer auf Kohle, Erdöl und Erdgas fürs Tanken und Heizen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Mit der jährlich steigenden Abgabe wird das mehr. Aus dem KTF mit insgesamt 49 Milliarden Euro für 2024 wird kräftig gefördert: energetische Gebäudesanierung, Heizungstausch, kommunale Wärmeplanung, Umstellung von Blockheizkraftwerken auf nicht fossile Energiequellen, Ausbau von Wärmenetzen.
Für die Wärmewende müssen Großstädte bis 2026 und kleinere Gemeinden bis 2028 Wärmepläne erstellen. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) soll den Ausbau in diesem Jahr mit insgesamt 750 Millionen Euro bezuschussen. Die Umsetzung der Dekarbonisierung wird dann nach vorläufigen Schätzungen 11 Milliarden Euro kosten. Diese werden zwar im Lauf der Zeit über Einnahmen aus der gelieferten Wärme refinanziert, müssen aber erst mal aufgebracht und von Banken kreditiert werden.
Auch Industrieanlagen bekommen Zuschüsse, wenn sie auf klimafreundlichere Technologien umstellen. Für sie ist eine der Schlüsseltechnologien die Umstellung auf Wasserstoff. Dieser muss produziert und transportiert werden. Für das in diesem Jahr beschlossenen Wasserstoffkernnetz setzt die Bundesregierung auf staatliche Garantien, die es den Fernleitungsbetreibern erlauben, die Kosten zu strecken. Der Bund muss nur zahlen, wenn es nicht gelingt, die Ausbaukosten bis 2055 über Durchleitungsgebühren zurückzuverdienen.
Investitionen in die Zukunft
Laut einer Studie von Ernst & Young (EY) von Mitte 2024 könnten sich alle Investitionen bis zur deutschen Klimaneutralität 2045 auf 1,2 Billionen Euro summieren. Doch das ist keine Verschwendung, mahnt Christian Bantle, BDEW-Chefvolkswirt: „Nach Auffassung der deutschen Energiewirtschaft sind die errechneten Investitionen nicht nur tragfähig, sondern generieren substanzielle Wertschöpfung und tragen somit nicht nur zum Klimaschutz, sondern nachhaltig zum Wirtschaftswachstum bei.“
Letztlich sei die Energiewende alternativlos. Denn „die Schäden durch den Klimawandel würden uns finanziell weitaus höher belasten“, so die Bundesregierung im Klimaschutzgesetz. Schon zwischen 2000 und 2021 waren mindestens 145 Milliarden Euro Schäden in Deutschland zu verzeichnen. Bis Mitte des Jahrhunderts rechnen Forscher mit Schadenshöhen zwischen 280 und 900 Milliarden Euro. Nicht eingerechnet sind gesundheitliche Beeinträchtigungen, Todesfälle durch Hitze und Überflutungen. Daher sind Investitionen in die Energiewende kein teures Hobby, sondern überlebensnotwendig.
Einen ausführlichen Beitrag über das Thema Kosten der Energiewende lesen Sie im Jahresmagazin von E&M, das am 2. Dezember erscheint.