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DVGW-Kongress Quelle: E&M / Susanne Harmsen
Susanne Harmsen
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Dienstag, 17.09.2024, 13:44 Uhr
Veranstaltung
E&M News
Deutschlandweiter Gasnetzumbau im Kommen
Auf dem DVGW-Kongress in Berlin stehen die Zeichen auf Umbau. Heutige Gasleitungen werden weiter gebraucht, für Biomethan, H2 oder CO2, so die Botschaft der Politik an die Branche.
In einer politischen Diskussion auf dem DVGW-Kongress standen die Gasnetze und ihre Zukunft im Fokus. Der Deutsche Verband der Gas- und Wasserwirtschaft (DVGW) bespricht die Branchenthemen am 17. und 18. September in Berlin. Als Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) warb der parlamentarische Staatssekretär Stefan Wenzel (Grüne) dafür, die bestehenden Netze weitgehend umzuwidmen. „Ich halte nichts davon, vorhandene Gasnetze herauszureißen, auch wenn sie nicht umgewidmet werden können“. Selbst als Leerrohre für Telekommunikationskabel könnten die Rohre nützlich werden. Die Rückbauverpflichtung aus alten Verträgen sei hinfällig, versicherte er.

Das „Green Paper“ vom BMWK, das diesen Rahmen beschreibt, sei „klug für die Transformation des Gassystems und muss jetzt umgesetzt werden“, sagte dazu Stefan Dohler, Präsident des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Er appelliert an einen gemeinsamen Fokus der betroffenen Verbände, um politische Forderungen besser durchzusetzen. „Heute nutzt die Industrie in Deutschland schon 1,7 Millionen Tonnen Wasserstoff“, erinnerte DVGW-Präsident Jörg Höhler. Dieser werde noch „grau“, das heißt aus fossilem Erdgas erzeugt. „Diese Menge muss durch erneuerbar erzeugten Wasserstoff ersetzt werden plus den Mengen zur Ablösung von Erdgas“, umriss Höhler die Herausforderung.
 
 
Staatssekretär Wenzel erläuterte, dass die Regierung aktuell davon ausgeht, dass nur ein Drittel des Wasserstoffbedarfs maximal selbst erzeugt werden kann. Eine globale Wettbewerbsfähigkeit der Produktion über den Preis müsse zugleich gewährleistet sein. „International gibt es Standorte, wo Strom erneuerbar zu 1 bis 2 Cent/kWh erzeugen kann, daher kann es Sinn machen, Wasserstoff dort zu erzeugen und als Ammoniak per Schiff oder per Pipeline zu importieren“, so Wenzel.

„Die Industrie soll alle möglichen Prozesse elektrifizieren und andere auf Wasserstoff umstellen“, sagte Wenzel. Nur Wirtschaftszweige wie Zement und Papier müssten über die Abscheidung und Nutzung oder Einlagerung von CO2 (CCU/CCS) ihre Emissionen vermeiden. „Dafür kann auch ein CO2-Leitungsnetz entwickelt werden“, sagte Wenzel. Mit der Kraftwerksstrategie und ihren Gesetzentwürfen versuche die Ampelkoalition, Investitionssicherheit zu schaffen.

Die Energieversorger im Rheingebiet um Wiesbaden erstellten aktuell auf eigene Kosten eine Prognose des Wasserstoffbedarfs und benötigter Netze, Erzeuger und Verbraucher, kündigte DVGW-Präsident Jörg Höhler an. Rund um Großbetriebe solle auf Wasserstoff umgestellt werden, stellte er für die Region in Aussicht. Er forderte von der Bundesregierung, Stadtwerken ohne Eigenkapital mit staatlichen Krediten oder Bürgschaften zu helfen. So könnten diese die nötigen Investitionen im Gasnetz umsetzen.

Kernnetz und Verteilnetz parallel entwickeln

Staatssekretär Wenzel unterstützte die Herangehensweise „on the job“, nachzuregeln, um schneller zu werden. Pipelines von Nordafrika unter dem Mittelmeer nach Europa hätten schon konkrete Korridore und Planungen, erinnerte Wenzel. „Aber wir können nicht alles mit öffentlichen Mitteln finanzieren“, sagte er. Private Investoren sollten über Bürgschaften oder Differenzverträge abgesichert werden, versicherte der Staatssekretär. Das Verteilnetz für Wasserstoff solle parallel zum Kernnetz geplant und gebaut werden, in Absprache mit den großen Kunden, die ihn wollen. Auch Wasserstoffspeicher werden untersucht und vorbereitet.

In einer Gesprächsrunde mit Gasnetzbetreibern ging es darum, möglichst schnell Wasserstoff in das entstehende Leitungsnetz zu bekommen. Jörn Higgen, Senior Vice President Governmental Relations der Uniper nannte die deutsche Wasserstoffimportstrategie „recht defensiv“. Zudem müsse die Zertifizierung schnellstens angegangen werden, um den Klimaschutzeffekt von Wasserstoff bepreisen zu können, wenn man ihn importiert. „Ohne den Bonus der wegfallenden Treibhausgaszertifikate wird sich der Mehrpreis für erneuerbaren Wasserstoff nicht lohnen“, sagte Higgen.

Versorgungssicherheit mit vielen Technologien

Gunar Schmidt, Geschäftsführer der Ontras Gastransport forderte, das Netz schnell auszurollen und umzustellen für Wasserstoff. Auch der Importweg per Schiff als Ammoniak müsse möglich sein. Aber bis zu einer Entfernung von 6.000 Kilometern sei die Pipeline am günstigsten. Auf einer Konferenz in Thessaloniki Anfang / Mitte September sei die Zusammenarbeit dazu mit den MENA-Staaten (Mittlerer Osten und Nordafrika) besprochen worden. „Egal woher der Wasserstoff kommt, wir brauchen ihn“, schloss Schmidt.

Der Uniper-Vertreter unterstrich den Wunsch, zukunftsfähige Kraftwerke zu errichten, auch um Kohlekraftwerke, die von der Bundesnetzagentur noch in Reserve versetzt wurden, ablösen zu können. Dafür hofft er auf die raschen Ausschreibungen der Kraftwerksstrategie ab 2025, die in diesem Herbst im parlamentarischen Prozess ist.

Die Kraftwerksstrategie werde von einem Kapazitätsmarkt gestützt, der gerade mit dem Strommarktdesign in der Konsultation ist, erinnerte Wenzel. So sollten auch Biogasanlagen und Batterien oder Power-to-Heat-Anlagen die Nutzung erneuerbaren Stroms zu erhöhen und die Versorgung sicher und bezahlbar zu halten. Daher habe man technologieoffene Möglichkeiten für die Ersatzkraftwerke formuliert.