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Mittwoch, 11.09.2024, 09:15 Uhr
Aus Der Aktuellen Ausgabe
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RechtEck: Die Bedeutung der Wasserstoff-Verteilnetzebene
Olaf Däuper und Christian Thole* zeigen, weshalb die Eigenständigkeit der H2-Verteilnetzebene essenziell für die Infrastrukturentwicklung ist und wie die Rechtslage aussieht.
Der Hochlauf des Wasserstoffmarktes nimmt auf der Infrastrukturebene Konturen an. Die letzten IPCEI-Genehmigungen sind erteilt, die rechtlichen Bedingungen für die Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes stehen und der entsprechende Antrag der Fernleitungsnetzbetreiber liegt zur Genehmigung bei der Bundesnetzagentur. Danach werden erste Wasserstofftransporte noch im Jahr 2025 realisiert.

Unklar bleibt die künftige Bedeutung der Wasserstoff-Verteilnetzebene. Die neue EU-Gasrichtline, die jüngst in Kraft getreten ist, definiert diese im Gegensatz zum EnWG ausdrücklich und weist den Verteilnetzbetreibern mit der Pflicht zur Erstellung von lokalen Wasserstoff-Netzentwicklungsplänen eine bedeutsame Rolle zu. Schwerpunkt der nationalen Diskussion scheint dagegen die Stilllegung von Gasnetzen zu sein.

So jedenfalls nach der − zugegeben subjektiven − Wahrnehmung durch das Green Paper des Bundeswirtschaftsministeriums zur Transformation Gas-/Wasserstoff-Verteilnetze. Anders als der Titel suggeriert, wird die Transformation weniger hin zu Wasserstoff als vielmehr zur Stilllegung durchdacht. Dass eine rechtssichere Stilllegung von Netzteilen nach dem EnWG möglich sein muss, steht dabei außer Frage. Einen wichtigen Schritt hat die Bundesnetzagentur mit der kommenden Festlegung KANU 2.0 unternommen, die den Netzbetreibern Möglichkeiten zur Anpassung von kalkulatorischen Nutzungsdauern und Abschreibungsmodalitäten auch für Erdgasbestandsanlagen eröffnet. Es fehlen dagegen Ansätze zum Aufbau und zur Regulierung einer lokalen und regionalen Wasserstoffinfrastruktur.

Klarheit bringt wohl erst die Umsetzung der EU-Gasrichtlinie

Das wird beim Wasserstoff-Kernnetz deutlich. Abgesehen von kleineren Detailfragen zu einzelnen Leitungsprojekten auf Fernleitungsebene ist vor allem die Einbeziehung von Leitungsprojekten einiger Verteilnetzbetreiber offen. Diese können zwar grundsätzlich Bestandteil des Kernnetzes werden, aber nur für den Preis einer eigentumsrechtlichen Entflechtung, wie ihn die EU-Gasrichtlinie für Wasserstoff-Fernleitungsnetzbetreiber vorsieht. Zumindest weist die Bundesnetzagentur in ihren FAQ zum Thema auf diese Problematik hin. Letztlich schwer vorstellbar, warum Verteilnetzbetreiber nicht auch Kernnetzbetreiber sein sollten.

Klarheit wird hier leider erst die Umsetzung der EU-Gasrichtlinie bringen. Eine Eigenständigkeit der Wasserstoff-Verteilnetzebene ist für die Entwicklung der Infrastruktur sehr wichtig. Ansonsten fehlt eine Anbindungsperspektive weiter Teile der Industrie, von Kraftwerken, lokalen Elektrolyseuren und Wasserstoffspeichern, die eben nicht in direkter Nähe zum Wasserstoff-Kernnetz liegen.

Weiterentwicklung der Wasserstoff-Verteilnetzebene

Besteht keine direkte Anbindung an das Kernnetz, gibt es eine weitere Chance. §§ 15a ff. EnWG bietet jetzt die Grundlage für eine integrierte Netzentwicklungsplanung für Gas und Wasserstoff. Zum 01.04.2024 haben die Fernleitungsnetzbetreiber Szenario-Rahmenpläne für Gas und Wasserstoff bei der Bundesnetzagentur eingereicht. Darauf basierend soll bis Ende Mai 2025 ein Netzentwicklungsplan abgeleitet werden. Ein interessantes Detail wurde kurzfristig in das Gesetz aufgenommen. „Geeignete Transformationspläne“ der Verteilnetzbetreiber können in den Planungen berücksichtigt werden. Nach der EU-Gasrichtlinie ist dies sogar Pflicht. Ob diese Vorgaben bereits vorfristig umsetzt werden, bleibt abzuwarten.

Verteilnetzbetreiber und potenzielle Abnehmer und Einspeiser von Wasserstoff sollten in den anstehenden Konsultationsrunden ihre Bedarfe untermauern.
Bedeutung hat das Wasserstoff-Verteilnetz zudem für die Verbraucher beim Einbau von H2-ready-Gasheizungen nach dem Gebäudeenergiegesetz. Diese Option besteht, sofern ein Fahrplan zur Gasnetztransformation vertraglich zwischen der Kommune und dem Gasnetzbetreiber vereinbart wird.

Im Rahmen des vorgesehenen Genehmigungsverfahrens prüft die Bundesnetzagentur Aussagen des Fahrplans zur Verfügbarkeit von Wasserstoff. Ohne eine direkte Anbindungsmöglichkeit muss der erste integrierte Netzentwicklungsplan belastbare Aussagen zur Weiterentwicklung des Kernnetzes umfassen. Die Zeit drängt, da die kommunalen Wärmeplanungen bis Mitte 2026 beziehungsweise 2028 vorliegen müssen.

Die Anbindung an das Kernnetz entscheidet nicht nur über die physische Verfügbarkeit von Wasserstoff, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen auf die zu zahlenden Netzentgelte. Das sogenannte Hochlaufentgelt, das die Bundesnetzagentur festlegen wird, mitsamt staatlichen Garantien gilt nur für das Kernnetz. Stadtwerke und Industriekunden fürchten eine ungleiche Belastung durch eine Stapelung von hohen Netzentgelten für die regionale und lokale Verteilung. Hier sind faire Bedingungen zu schaffen, ansonsten droht ein Rosinenpicken der Fernleitungsnetzbetreiber bei Kunden auf der Verteilnetzebene.

Wichtige Weichen für die Regulierung der Wasserstoff-Verteilnetze hat die EU-Gasrichtline gestellt: Entgegen dem Willen der EU-Kommission können Stadtwerke Wasserstoff-Verteilnetze betreiben, sofern die aus dem Erdgasbereich bekannten Entflechtungsregelungen eingehalten werden. Das gilt auch für die De-minimis-Regelung für die gesellschaftsrechtliche Entflechtung auf integrierte Verteilnetzbetreiber mit weniger als 100.000 Kunden.

Angesichts der Klarheit der Vorgaben der EU-Gasrichtlinie wäre eine sehr zeitnahe Umsetzung durch den Gesetzgeber unbedingt notwendig, um dem Markthochlauf von Wasserstoff für alle Kunden einen wichtigen Schub zu verleihen.

* Dr. Olaf Däuper und Christian Thole, Partner und Rechtsanwälte, Becker Büttner Held (BBH), Berlin