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Klaus Fischer
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Freitag, 09.09.2022, 14:54 Uhr
Strom
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Strommarktdesign: Preissignale wirken lassen
Laut Fraunhofer-Institut regt das Merit-Order-System zum Energiesparen an und sollte bestehen bleiben. Ein Problem stellt die deutsche Einheitspreiszone im Strommarkt dar.
Über das kurzfristige Abfedern der extremen Preisanstiege im Großhandel hinaus muss die Politik den europäischen Strommarkt reformieren. Die Preissignale für die Kundinnen und Kunden durch das Merit-Order-System sollten dabei allerdings beibehalten werden.

Das sind zwei der Kernaussagen einer Stellungnahme des Augsburger Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) zur Reform des EU-Strommarktdesigns, die im Rahmen des Kopernikus-Projekts „SynErgie“ erging. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und befasst sich mit der Flexibilisierung des Strombedarfs von Industrieunternehmen.
 
Wie es in der Stellungnahme des FIT heißt, möchte die Bundesregierung die Haushalte entlasten, indem ihnen für einen bestimmten Basisbedarf an elektrischer Energie ein vergünstigter Preis verrechnet wird. Energieintensive Unternehmen wiederum würden mit dem „dritten Entlastungspaket“ unterstützt, das unter anderem „den Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern“ beinhaltet.

Laut dem FIT sind diese Maßnahmen grundsätzlich zu befürworten. Jedoch ist „bei der Gestaltung akuter Entlastungsmaßnahmen unbedingt sicherzustellen, dass Marktsignale auch weiterhin möglichst transparent und unverfälscht bei Verbraucherinnen und Verbraucher ankommen und somit entsprechend ihrer essenziellen Signalfunktion wirken können.“ Nur so hätten Kunden einen Anreiz, „möglichst viel Energie bzw. Strom einzusparen“ und damit auch den Verbrauch von Erdgas zu vermindern, das zur Stromerzeugung genutzt wird.
 
Nachfrage flexibilisieren
 
Was die Reform des europäischen Strommarktes betrifft, schlägt das FIT im Wesentlichen zweierlei vor. Erstens gilt es, mittels der Preissignale aufgrund des Merit-Order-Systems Anreize für die Flexibilisierung der Nachfrage zu schaffen, vor allem in der energieintensiven Industrie, „die einen erheblichen Anteil der Stromnachfrage in Deutschland ausmacht.“

Notwendig sei, den Verbrauch von Strom seiner Erzeugung mit erneuerbaren Energien anzupassen. Werde zu einer bestimmten Zeit weniger Ökostrom erzeugt, schlage sich dies via Merit Order in höheren Preisen nieder. Unternehmen, die in der Lage seien, ihren Strombedarf flexibel zu gestalten, würden in einer solchen Situation „weniger Strom am Markt nachfragen und den Anteil von Strom aus fossilen Energieträgern im Stromsystem reduzieren.“

Entsprechenden Konzepten stehen in Deutschland dem FIT zufolge indessen „regulatorische Hürden“ entgegen, vor allem „die aktuelle Netzentgeltverordnung und Preisverzerrungen auf Grund des hohen und pauschalen Anteils zusätzlicher Steuern und Abgaben. Diese veraltete Regulierung verschlimmert die aktuelle Krisensituation und muss schnellstmöglich angepasst werden.“
 
Problem „Einheitspreiszone“
 
Zweitens plädiert das FIT für die Einführung eines sogenannten Nodal-Pricing-Systems. Gemeint ist damit: Laut dem FIT führt die bestehende gesamtdeutsche „Einheitspreiszone“ zu „zu Ineffizienz durch Fehlanreize für flexible Verbraucherinnen und Verbraucher.“ Wird beispielsweise während eines Sturms im Norden Deutschlands dort besonders viel Strom mit Windparks erzeugt, sinkt der Strompreis auch im Süden des Bundesgebiets. Das Problem: Mangels entsprechender Leitungskapazitäten kann der günstige „Windstrom“ nicht in den Süden transportiert werden.

Damit aber „müssen im Norden Windenergieanlagen abgeregelt und im Süden oftmals alte und ineffiziente Gas- und Kohlekraftwerke zum Ausgleich hochgefahren werden. Solche Ineffizienzen des aktuellen Strommarktdesigns führen zu den explodierenden Kosten für Einspeisemanagement und Redispatch.“

Deshalb sei es notwendig, ein Marktdesign mit „lokal differenzierten Preisen unter Berücksichtigung von Netzrestriktionen“ einzuführen – und das nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten EU. Derartige Modelle werden unter dem Begriff „Nodal Pricing“ (an den Netzknoten respektive Netzengpässen orientierte Preisbildung) seit langem diskutiert.

„Nur durch eine solche europäische Betrachtung kann es gelingen, aus der aktuellen Krise die richtigen Schlüsse zu ziehen und die Weichen für ein zukunftsfähiges, nachhaltiges und resilientes Stromsystem mit lokal differenzierten Preissignalen zu stellen“, resümiert das FIT.

Die Stellungnahme „Europäische Energiekrise und dringend benötigte Strommarktreformen“ des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik kann auf deren Internetseite heruntergeladen werden.