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Klaus Fischer
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Donnerstag, 08.09.2022, 13:30 Uhr
Österreich
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Netzbetreiber APG warnt vor Blackout in Europa
APG-Vorstand Gerhard Christiner sieht keine unmittelbare Gefahr für einen großflächigen Stromausfall. Er warnt aber vor bestehenden und kommenden Herausforderungen.
Keine unmittelbare Gefahr für einen großflächigen Stromausfall in Europa (Blackout) sieht der technische Vorstand des österreichischen Übertragungsnetzbetreibers Austrian Power Grid (APG), Gerhard Christiner. Auszuschließen sei ein solches Ereignis indessen nicht, betonte er bei einem Symposium im österreichischen Parlament am 6. September.

Auch dürfe die derzeitige Lage keinesfalls unterschätzt werden. Europa leide unter einem erheblichen Strommangel. So importiere das traditionelle Stromexportland Frankreich gegenwärtig rund 8.000 MW. Zum Vergleich: Der gesamte österreichische Kraftwerkspark hat eine Leistung von etwa 20.000 MW.

Wegen der anhaltenden Trockenheit, aber auch infolge technischer Probleme, erzeuge nur rund ein Drittel der französischen Kernreaktoren Elektrizität. In Österreich wiederum, das rund 70 % seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien deckt, habe die Stromproduktion mittels Wasserkraftwerken im Juli um rund 30 % unter dem langjährigen Durchschnitt gelegen: „Übers Jahr gerechnet müssen wir mit einer Mindererzeugung von rund zehn Prozent rechnen.“

Pumpspeicheranlagen machen Österreich zuversichtlich

Unsicherheiten bestünden auch bei der Belieferung mit Gas aus Russland und damit bei der im Winterhalbjahr besonders wichtigen Stromproduktion durch Gaskraftwerke in ganz Europa. Die Entwicklung für den Herbst und Winter untersuche gerade der europäische Netzbetreiberverband Entso-E.

Trotz dieser Herausforderungen ist Europa laut Christiner gut positioniert, was die Sicherheit der Stromversorgung grundsätzlich angeht. Mit der weitgehend automatisierten Stabilhaltung der Frequenz bei 50 Hertz bestehe ein gesamteuropäisches „Fangnetz“.

Österreich profitiere zudem von seinen schwarzstartfähigen Kraftwerken. Dabei handelt es sich vor allem um leistungsstarke Pumpspeicheranlagen wie Kaprun und Malta im Südwesten des Bundesgebiets. Sie können auch ohne externe Stromversorgung gestartet werden. Überdies sind sie zum Inselbetrieb fähig und damit in der Lage, den Wiederaufbau der Stromversorgung maßgeblich zu unterstützen.

Ferner werde die Krisenbewältigung inklusive des Wiederherstellens der Versorgung nach einem Blackout regelmäßig geübt. „Unsere beste Gruppe schafft das am Simulator binnen zehn Stunden. Bei ganz schwierigen Fällen können es allerdings auch 25 bis 30 Stunden sein. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass der Wiederaufbau der Stromversorgung nach einem Blackout mehrere Tage dauern würde“, erläuterte Christiner.

Reserven abgebaut

Warnend verwies Christiner auf ein grundsätzliches Problem: Im Zuge der Liberalisierung seien die über Jahrzehnte aufgebauten Reserven an Kraftwerksleistung weitgehend abgebaut worden. Die Regulierungsbehörden wiederum bemühten sich, die Netzkosten immer weiter zu minimieren. Hinzu komme die Energiewende, eine „beispiellose Transformation des Energiesystems, für die es bedauerlicherweise keinen Plan gibt“.

Manche Energiepolitiker hätten Christiner zufolge „wohl am liebsten sämtliche thermischen Kraftwerke von heute auf morgen ausgeschaltet und an ihrer Stelle Ökostromanlagen eingeschaltet. Aber so einfach funktioniert die Energiewende leider nicht.“

Dies waren Aussagen, die anwesende hochrangige Parlamentarier der Grünen mit säuerlichem Lächeln zur Kenntnis nahmen. Christiner ergänzte, das Erarbeiten der Netzentwicklungspläne durch die APG sowie die Verteilnetzbetreiber könne nur funktionieren, „wenn wir wissen, wo die Erzeugungseinheiten und die Speicher errichtet werden“. Dringend gefragt sei eine ganzheitliche Planung des Energiesystems, betonte Christiner.

Bis Ende September 2023 gesichert ist übrigens die sogenannte „Netzreserve“, also der Park jener Kraftwerke, die der APG zur Netzstabilisierung zur Verfügung stehen. Die entsprechende Ausschreibung wurde bereits Anfang Juni abgeschlossen. Dabei kontrahierte die APG für den Winter 2022/23 insgesamt 503 MW sowie für den Sommer kommenden Jahres 3.007 MW an jederzeit verfügbarer Leistung. Zum Zuge kamen die niederösterreichische EVN, die Linz Strom Gas Wärme, der Verbund, die Wien Energie sowie der Papierkonzern UPM-Kymmene Austria.

Durch die österreichische strategische Gasreserve ist auch die Brennstoffversorgung der Anlagen gewährleistet, berichtete Christiner der Redaktion: „Das haben wir von der Bundesregierung verlangt.“ Einige der nun beauftragten Kraftwerksbetreiber hätten freilich ohnehin wie üblich selbst erhebliche Gasmengen eingespeichert.