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Davina Spohn
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Mittwoch, 23.06.2021, 14:16 Uhr
Wasserstoff
E&M News
Keine Kompromisse beim Wasserstoff
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen rät in einer aktuellen Stellungnahme zur Kehrtwende der bisherigen Politik insbesondere in Bezug auf die Wasserstofftechnologien.
Insbesondere zwei Fehlentwicklungen sind es, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) beim Markthochlauf von Wasserstoff befürchtet. Sie betreffen die Herstellung und den Einsatz des Wasserstoffs.

In seiner am 23. Juni veröffentlichten Stellungnahme "Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse" empfiehlt das Expertengremium, alle Anstrengungen auf den Markthochlauf von grünem Wasserstoff aus Wind und Sonne zu konzentrierten. Den absehbar hohen Wasserstoffbedarf vor Augen wird der übergangsweise Einsatz von fossil erzeugtem Wasserstoff auf dem politischen Parkett diskutiert. Aus Erdgas gewonnener Wasserstoff ist jedoch aus Sicht des Expertengremium keine Option. Der SRU berät die Bundesregierung in Fragen der Umweltpolitik. Er besteht aus sieben Professorinnen und Professoren verschiedener Fachdisziplinen.

Auch blauen Wasserstoff, bei dem das bei der Dampfreformierung von Erdgas neben Wasserstoff entstehende CO2 abgespalten und gespeichert wird, sieht der Rat kritisch. Die Herstellung würde signifikante Treibhausgasemissionen verursachen und bei der CO2-Speicherung Umwelt- und Gesundheitsrisiken nach sich ziehen. Laut Prof. Claudia Kemfert, stellvertretende Vorsitzende des SRU, würde damit in Technologien und Infrastrukturen investiert, die "in einer treibhausgasfreien und umweltfreundlichen Wirtschaft keinen Platz mehr haben". Anstelle von teuren Brückentechnologien brauche es "Investitionen in die Zukunft".
 
Die Stellungnahme "Wasserstoff im
Klimaschutz: Klasse statt Masse"
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Quelle: SRU

Bei der Nutzung des Wasserstoffs sieht der SRU eine weitere drohende Fehlentwicklung. So empfiehlt das Gremium den Einsatz des "knappen und kostbaren Energieträgers" Wasserstoff genau zu überdenken. Nicht überall, wo grüner Wasserstoff und synthetische Energieträger eingesetzt werden könnten, sei dies auch ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Der direkte Einsatz von grünem Strom sei in der Regel preiswerter und umweltfreundlicher. Als Beispiele nennt der SRU Elektrofahrzeuge im Straßenverkehr und Wärmepumpen in der Wärmeversorgung. 

Als sinnvoll erachten die Experten dagegen, den Wasserstoff im Industriesektor sowie im internationalen Schiffs- und Flugverkehr einzusetzen. "In diesen Bereich spielen Wasserstoff und synthetische Energieträger nach derzeitigem Wissensstand eine wichtige Rolle, um die Klimaziele zu erreichen", schreibt der SRU.

Import nur mit anspruchsvollen Nachhaltigkeitskriterien

Zuspruch bekommt der Expertenrat von der Deutschen Umwelthilfe (DHU). Die Organisation fordert die Bundesregierung auf, Wasserstoff auf fossiler Basis eine klare Absage zu erteilen und stattdessen die Produktion von nachhaltigem grünem Wasserstoff zu forcieren. Außerdem dürfe der "kostbare grüne Wasserstoff" keinesfalls zur Produktion "hochgradig ineffizienter E-Fuels für Pkw verschwendet werden". Wasserstoff werde absehbar ein "knapper und teurer Energieträger" sein, erklärt Sascha Müller-Kraenner, der Bundesgeschäftsführer der DUH. Daher müsse er dort eingesetzt werden, wo es keine effizientere Alternative gibt. 

Auch beim Thema Wasserstoffimport fordern sowohl SRU als auch DUH ein politisches Umdenken. Der SRU rät dazu, anstelle von Importen inländische Potenziale zur Herstellung von grünem Wasserstoff zu nutzen. Dazu müssten zunächst die Wind- und Sonnenenergie in Deutschland massiv ausgebaut werden. Im Falle eines Imports von grünem Wasserstoff müsse sichergestellt sein, dass in den Herkunftsländern keine sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Probleme durch die Wasserstoffherstellung verschärft würden. "Der hohe Wasserverbrauch kann vor allem in trockenen Regionen gravierende Auswirkungen haben", merkt die SRU-Vorsitzende Prof. Claudia Hornberg an. Ein Zertifizierungssystem mit anspruchsvollen Nachhaltigkeitskriterien sei zwingend erforderlich.

Grüner Wasserstoff droht ein Luftschloss zu bleiben

Auch Müller-Kraenner (DUH) sieht in den politischen Plänen ein grundsätzliches Problem: "Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung basiert auf Importen und fossil erzeugtem Wasserstoff und geht damit eindeutig in die falsche Richtung". Mithilfe der Empfehlungen des Sachverständigenrats müsse die Bundesregierung nun die richtigen Weichen stellen: "Raus aus Wasserstoff auf fossiler Basis und keine Beimischung im Erdgasnetz. Wasserstoff wird nur dann dem Klimaschutz dienen, wenn er auf Basis erneuerbarer Energien gewonnen wird", erklärt Müller-Kraenner. Er fordert, den Erneuerbaren-Ausbau schnell voranzutreiben − "ohne Wind- und Solarenergie wird grüner Wasserstoff ein Luftschloss bleiben".

Der SRU bietet die Stellungnahme "Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse" auf seiner Internetseite zum Download an.