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Blockchain in der Energiewirtschaft

Durch den Hype um Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum ist auch die Blockchain-Technologie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Diese häufig auch als  “Distributed Ledger” (etwa: verteiltes Kassenbuch) bezeichnete Technologie kann aber über die Absicherung einer Kryptowährung hinaus in einer Vielzahl von Anwendungen verwendet werden. Es geht bei Blockchain darum, Verbraucher und Lieferanten einer Transaktion ohne eine zentrale Instanz direkt miteinander zu verbinden, so die gängige Definition. Gerade in der Energiebranche könnte sich die die Blockchain-Technologie als ein wichtiger Baustein künftiger Infrastrukturen erweisen. Mögliche Anwendungsfällen reichen von fälschungssicheren Herkunftsnachweisen für Grünstrom bis zum automatisierten Kleinmengenhandel von Strom in Microgrids.
Quelle: DENA.de Dominanter Anwendungsfall der Blockchain ist mit 60 Prozent der Peer-to-Peer-Handel, gefolgt von E-Mobility (34 Prozent), Zertifizierung und Assetmanagement (jeweils 31 Prozent, Doppelnennungen möglich).

Wie entstand die Blockchain-Technologie?

Das Konzept der Blockchain stammt aus dem Jahr 2008. Es  geht auf das White Paper „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ eines gewissen Satoshi Nakamoto zurück. Der Name ist ein Pseudonym, die Person oder Gruppe dahinter bis heute unbekannt. Nakamoto kombinierte bestehende IT-Techniken auf clevere Weise und erschuf so das Transaktionssystem Blockchain. Es macht, einfach erklärt, eine manipulationssichere Abwicklung von Geschäften zwischen mehreren Parteien ohne zentrale Instanz möglich. Auf Basis des White Papers von Satoshi Nakamoto startete am 3. Januar 2009 das Bitcoin-Netzwerk und damit die erste konkrete Blockchain-Anwendung.

Wie funktioniert eine Blockchain?
 

Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um eine untrennbar miteinander verkettete Abfolge von Datenblöcken, die im Verlauf der Zeit immer weiter fortgeschrieben wird. Durch kryptographische Verfahren wird sichergestellt, dass die Blockchain nicht nachträglich geändert werden kann. Durch die Nutzung digitaler Signaturen etwa sind Informationen in der Blockchain speicherbar, die fälschungssicher nachweisen, dass Teilnehmer an der Blockchain bestimmte Daten hinterlegt oder Transaktionen angestoßen haben. Zudem wird eine Blockchain nicht zentral an einer Stelle vorgehalten, sondern auf den Rechnern aller Teilnehmer repliziert. Die Blockchain ist dadurch unveränderbar, fälschungs- und manipulationssicher - zumindest in der Theorie.

Wie wird die Integrität einer Transaktion festgestellt?

 
Dazu wird ein sogenannter “Konsensmechanismus” verwendet. Durch diesen Mechanismus wird zwischen allen oder zumindest einem Teil der an der Blockchain beteiligten Partnern eine Übereinkunft hergestellt, dass eine Transaktion regelkonform abgelaufen ist.

Sind Blockchain und Distributed Ledger identisch?

Nein, auch wenn die beiden Begriffen gern synonym verwendet werden. Genau genommen beschreibt der Begriff Distributed Ledger nur eine verteilte Datenbankstruktur. Für eine Blockchain sind darüber hinausgehend kryptografische Verfahren wie asymmetrische Verschlüsselung, Hash-Funktionen und ein Konsensmechanismus notwendig, um die Manipulationssicherheit der Kette von Datenblöcken zu garantieren.

Was ist Hashing?


Ein ganz wesentliches Element von Blockchains sind sogenannte Hash-Algorithmen. Unter Hashing versteht man die Berechnung einer Prüfsumme aus einer großes Zahl von Eingabewerten, wie sie etwa bei einer Transaktion anfallen. Auf diese Weise entsteht eine Art fälschungssicherer digitaler Fingerabdruck für eine Transaktion. Die dafür verwendeten Hash-Algorithmen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Die wichtigsten: Zum Beispiel darf es nicht möglich sein, aus dem Hash-Wert auf die Eingangsinformationen zurückzurechnen. Außerdem muss derselbe Input auch immer denselben Hash-Wert erzeugen. Darüber hinaus dürfen unterschiedliche Eingabewerte nicht zu identischen Hash-Werten führen.

Wie funktioniert der Konsensmechanismus in einer Blockchain?

Der klassische Blockchain-Konsensmechanismus heißt “Proof-of-Work” und wurde von Satoshi Nakamoto in dessen grundlegendem Blockchain White Paper beschrieben. Im Grundsatz geht es dabei darum, ein mathematisches Rätsel zu lösen. Genauer gesagt, zu ermitteln, welchen Input man in einen Hash-Algorithmus eingeben muss, um einen vorgegebenen Hash-Wert zu erreichen. Weil sich aus dem Hash-Wert der Input nicht algorithmisch zurückrechnen lässt (siehe oben), bleibt nur, so lange verschiedene Varianten auszuprobieren, bis ein Teilnehmer das korrekte Ergebnis findet. Der Vorgang wird Mining genannt:  Bei der ursprünglichen Bitcoin-Blockchain wurde der erfolgreiche “Miner” für den Aufwand mit neuen Bitcoins belohnt.

Foto: Deutsche Energie-Agentur GmbH

Foto: Deutsche Energie-Agentur GmbH

 

Die Eleganz der Lösung: Ist das Ergebnis des Konsensmechanismus einmal gefunden, lässt es sich von allen anderen Teilnehmern in einer Blockchain sehr einfach überprüfen. Ist das erfolgt, kann der entsprechende Datenblock an die Blockchain angehängt werden. Weil das “Erraten” der Lösung lange dauert und extrem viel Rechenleistung benötigt, ist der Proof-of-Work-Konsensmechanismus relativ langsam und ressourcenhungrig. Der hohe Aufwand gilt jedoch als “Sicherheit” dafür, dass keine Manipulationen durchgeführt werden. Für eine erfolgreiche Manipulation wäre es notwendig, mehr als die Hälfte der Rechenleistung in einer Blockchain kontrollieren zu können.

Gibt es noch andere Konsensmechanismen?

 
Zwei weitere mittlerweile häufig verwendete Konsensmechanismen sind Proof-of-Stake und Proof-of-Authority. Bei Proof-of-Stake investieren die Teilnehmer statt Rechenleistung ihr eigenes Geld in den Konsensmechanismus und hinterlegen es quasi als Pfand. Versuchen sie, den Konsensmechanismus zu manipulieren, droht ihnen der Verlust der hinterlegten Summe. Dadurch lässt sich der Aufwand für die Validierung einer Transaktion in der Blockchain reduzieren, die Zahl der möglichen Transaktionen pro Zeiteinheit steigt, der Energieverbrauch reduziert sich. 

Bei Proof-of-Authority nehmen nicht mehr alle Blockchain-Beteiligten am Konsensmechanismus teil, sondern nur noch ausgewählte “Autoritäten”. Auch dadurch können Performanz und Energieverbrauch optimiert werden. Allerdings wird kontrovers diskutiert, ob Proof-of-Authority noch mit dem basisdemokratischen, dezentralen Grundgedanken der Blockchain vereinbar ist. 

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Blockchain-Konsensmechanismen, die bisher aber keine größere Verbreitung gefunden haben: Proof-of-Elapsed-Time (PoET), Proof of Burn (PoB), Proof of Validation (PoV), Proof of Capacity (PoC), Proof of Importance (PoI) oder Proof of Existence (PoE).

Warum ist Blockchain für den Energiesektor so interessant?

 

Durch die Energiewende ist die Anzahl der Energieverbraucher, die gleichzeitig Energieproduzenten sind, massiv angestiegen. Zugleich ist die Energieerzeugung aus regenerativen Quellen sehr volatil. Zur Stabilisierung der Netze ist daher ein lokaler oder regionaler Ausgleich zwischen den Beteiligten sinnvoll. Die Blockchain kann einen automatisierten, regelbasierten Handel auch kleiner Strommengen ermöglichen. Der Berliner Unternehmensberater und Blockchain-Experte Tobias Federico: “Es gibt extrem viele deckungsgleiche Elemente zwischen der Grundidee dieser Technologie und dem zukünftigen Energiemarkt. Wir haben eine gewisse Dezentralität und die Fähigkeit, Kleinstmengen mit vermeintlich geringen Transaktionskosten zu handeln. Dazu kommt, dass wir in der Zukunft einen sehr hohen Automatisierungsgrad haben werden. Da bietet sich eine Machine-to-Machine-Economy, wie sie die Blockchain verspricht, einfach an.”

Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es für die Blockchain in der Energiebranche?

Infografik: Das deutsche Blockchain-Ökosystem | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Eine umfangreiche Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft listet folgende Einsatzgebiete für Blockchain-basierte Lösungen in der Energiebranche auf:

-       Labeling: Mit der Blockchain-Technologie kann die Herkunft der gelieferten Energie manipulationssicher und transparent  dargestellt werden – nicht nur über Zertifikate, sondern in relativer Echtzeit und gekoppelt an die physikalische Lieferung.

-       Sharing: Zum Beispiel ermöglicht die Blockchain ermöglicht einen klaren Eigentumsnachweis von Anteile etwa an Batteriespeichern. Ein anderes Beispiel ist das transparente Sharing von Wallboxen durch mehrere Besitzer von Elektroautos.

-       Systemdienstleistung & Flexibilität: Durch eine größere Transparenz bei Erzeugung und/oder Verbrauch auf einer Blockchain-basierten Plattform könnte die Vorhaltung von Regelleistung optimiert werden.

-       Partizipation: Ein Portal mit Belohnungssystem auf Blockchain-Basis könnte eine transparente Erfassung und Zuordnung von Effizienzsteigerungen und zugehörigen Prämien ermöglichen.

-       Kryptowährungen: Die für die Steuerung und Überwachung von Kraftwerksanlagen und Netzbetriebsmitteln eingesetzte Software weist häufig Schwachstellen und Sicherheitslücken auf, die oftmals nicht oder zu spät erkannt werden. Mittels Kryptowährungen können anonyme Preisgelder auf das Finden solcher Sicherheitslücken ausgelobt werden. Somit kann ein Anreiz für sog. „Whitehacker“ geschaffen werden, diese Lücken zu finden und zu melden. Die Abrechnung erfolgt anonym.

-       Finanzierung: Zur besseren Beteiligung von Bürgern am Ausbau erneuerbarer Energien kann mittels Initial Coin Offerings (ICO) ein Crowdfunding durchgeführt werden. Die Rendite kann u. a. in Form von Kilowattstunden oder den jeweiligen Coins ausgezahlt werden.

-       Asset Management: Eine große Herausforderung im Service-Bereich ist es, festzustellen, ob es sich bei Ausfällen, technischen Störungen oder Unfällen um Garantiefälle oder Selbstverschulden handelt. Die Blockchain kann fälschungssicher die Wartungszyklen, Instandhaltung und Nutzung dokumentieren und weist so einwandfrei nach, ob Wartungsintervalle eingehalten wurden bzw. eine korrekte Nutzung stattgefunden hat. Auch energiewirtschaftliche Kennwerte (Messwerte, Speicherzustände (etc.) können neben Wartungs- und Instandhaltungsprotokollen gespeichert werden.

-       Prozessautomatisierung & Optimierung: Das Abrechnen von Meterdaten erfolgt heute über speziell entwickelte und vom BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) zertifizierte und komplexe Verfahren. Dies könnte auch mittels der Blockchain erfolgen und so ggf. vereinfacht werden.

-       Sonstige: Beispiel Roaming des Energievertrages. Während Energieverträge heute an den jeweiligen Zählpunkt gekoppelt sind, könnten diese mittels Blockchain auch über virtuelle Zählpunkte abgewickelt oder in Echtzeit der Lieferant an der jeweiligen Marktlokation gewechselt werden.

Insgesamt konnten laut der FEE-Studie 91 Anwendungsfälle der Blockchain-Technologie identifiziert werden.

Was sind Smart Contracts?

Infografik: Deutsche Wirtschaft ist Blockchain-Nachzügler | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista
 

Es besteht die Möglichkeit, in einer Blockchain nicht nur Transaktionsdaten, sondern auch Softwareprogramme zu hinterlegen. Diese können dort automatisiert über die Blockchain abgesicherte automatische Abläufe durchführen. So ist zum Beispiel mit Smart Contracts ein automatisierter algorithmischer Stromhandel auf Basis vordefinierter Regeln und ohne menschliche Eingriffe möglich.  

Gibt es nur die eine Blockchain?
 

Nein, auf Basis der Ur-Blockchain, die für die Kryptowährung Bitcoin zum Einsatz kam, hat sich inzwischen eine Vielzahl von unterschiedlichen Blockchains ausdifferenziert. Sie unterscheiden sich zum Beispiel durch die Verwendung unterschiedlicher Konsensmechanismen wie etwa “Proof-of-Work”, “Proof-of-Stake” oder “Proof-of-Authority” oder die Nutzung verschiedener Hash-Algorithmen.

Welche Blockchain eignet sich am besten für die Energiewirtschaft?
 

Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur Dena listet zu dieser Frage vor allem drei Blockchain-/Smart Contract-Frameworks auf: Zum einen die allgemeinen Plattformen Ethereum und Hyperledger Fabric Framework. Zum anderen die speziell für die Energiebranche entwickelt Blockchain der Organisation Energy Web Foundation. In ihr haben sich Unternehmen wie Austrian Power Grid, Chubu Electric Power, Elia, EnBW, Eneco, Engie, Eon, Equinor, Iberdrola, Innogy oder Shell zusammengeschlossen.

Welche Energieunternehmen sind sonst noch in Sachen Blockchain aktiv?

 

Die Blockchain-Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft zählt hier beispielsweise die Unternehmen Innogy, SMA, Stadtwerke Augsburg, das Stadtwerke-Netzwerk Thüga, den Übertragungsnetzbetreiber Transnet BW, den Verband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft, Verbund und die Voralberger Kraftwerke AG. An einer Blockchain-Studie der Deutschen Energie-Agentur Dena waren unter anderem EnBW, EWE Netz, General Electric, Mainova, Netz Lübeck, Pfalzwerke, Rheinische Netzgesellschaft, Siemens und die, Stadtwerke Leipzig beteiligt.

Wie sehen die wirtschaftlichen Aussichten der Blockchain in der Energiebranche aus?


Laut einer Studie von Infoholic Research, die am 15. Februar 2019 veröffentlicht wurde, kann die Blockchain-Technologie im Energiemarkt in den kommenden Jahren mit hohen Zuwachsraten rechnen. laut den Analysten verzeichnete die Blockchain im Energiesektor im Jahr 2018 ein weltweites Marktvolumen von 210,4 Mio. US-Dollar. Für 2024 wird hingegen ein Volumen von 3,4 Mrd. US-Dollar erwartet. Das würde einem jährlichen Marktwachstum von rund 60 % entsprechen.


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